Kindesmisshandlung wird von Ärzten oft nicht erkannt
Bremen - Das Thema Kindesmisshandlung kommt bei der Ausbildung von Ärzten nach Ansicht von Experten zu kurz. «Dadurch erkennen Ärzte häufig typische Anzeichen für Kindesmisshandlung nicht», sagte Kerstin Porrath, Kinderärztin im Klinikum Links der Weser in Bremen.
Aus Unsicherheit trauten sie sich auch bei zweifelhaften Verletzungen oft nicht, das Jugendamt einzuschalten, erläuterte Porrath auf einer Tagung von 800 norddeutschen Notfallmedizinern in Bremen. «Ärzte müssen mutiger werden.»
Im Gegensatz zu den USA gebe es in Deutschland bei Kindesmisshandlung für Ärzte keine Meldepflicht. Deshalb fürchteten viele Mediziner, ihre Schweigepflicht zu verletzen, wenn sie ihren Verdacht melden. «Es ist aber durch das Strafgesetzbuch rechtlich abgesichert, dass Kinderrecht vor Schweigepflicht geht», betonte Porrath, die als Referentin zu dem Symposium eingeladen war. Auch in Fachzeitschriften sei das Thema unterrepräsentiert. Deshalb kämen Ärzte oft gar nicht oder zu spät auf den Gedanken, dass in einem Fall Kindesmisshandlung vorliegen könnte - zumal die Eltern stets Ausreden für die Verletzungen hätten.
Deshalb sei es wichtig, dass Ärzte «klassische Verletzungsmuster» erkennen. «Hat ein Kleinkind zum Beispiel an beiden Füßen und Beinen symmetrische Verbrühungen, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass es in kochendes Wasser gehalten wurde», erklärte Porrath. Denn bei einem Unfall wären die Verbrühungen eher «tröpfchenartig» verteilt, weil das Kind sofort seinen Fuß aus dem heißen Wasser ziehen würde. «Ein Kind, dass sich versehentlich am Bügeleisen verbrennt, wird auch nie den kompletten Abdruck des Bügeleisens auf dem Arm haben.»
Gesicherte Zahlen über die Fälle von Kindesmisshandlung in Deutschland gebe es ihres Wissens nicht, sagte Porrath. Eine Studie gehe von ein bis zwei Todesfällen pro Woche aus. «Wahrscheinlich sind es aber viel mehr, weil die Dunkelziffer hoch ist.»
_________________ Jeder gelebte Tag, ist ein Tag weniger im Leben...
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