Hier habe ich unsere Geschichte einmal aufgeschrieben. Ich habe es mir einfach so von der Seele geschrieben und hoffe, es ist verständlich genug für einen Außenstehenden. Ich poste es hier, um einmal zu zeigen, welche perfiden Pläne ein eigener Vater aushecken kann. Vielleicht hilft es ja der einen oder anderen Mutti sensibel auch auf so etwas zu achten.
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Ich bin schuldig!
Meine Tochter ist oft sehr strapaziös, aber das ist kein Wunder, sie ist 14! Da muss man der Mutter auf die Nerven gehen, da muss man aufmüpfig und zickig sein. Da hat man keine Lust auf Arbeiten im Haushalt oder Schule. Man ist in der Pubertät! Ist das nicht genug? Damit hat man doch weiß Gott genug zu tun. Ja, wahrscheinlich war ich auch nicht anders. Doch, ein wenig schon. Denn ich hatte kein schreckliches Geheimnis zu hüten, so wie meine Kleine. Kein Wunder, das ich sie für extremer als ihre Schwester in dem Alter halte. Jetzt verstehe ich es.
Sie hat ihren eigenen PC im Zimmer. Sie chattet gerne und ziemlich oft. Sie hat auch einige Mailfreunde. Ich respektiere ihre Privatsphäre und schaue mir die Daten nicht an. Hier und da erzählt sie mal was. Eigentlich alles ganz harmlos. Ich mache mir keine Gedanken.
Sie erzählt von einem Jungen, Mike. Sie chattet mit ihm, er macht Eindruck auf sie, das spüre ich. Ich erfahre, dass dieser Junge ihr über einen Freund etwas zu einer Stelle vor unserem Dorf hat bringen lassen. Es ist ein Foto von ihm, ein PC-Ausdruck. Er ist nackt. Eine goldene Modeschmuck-Kette und schwarze, halterlose Strümpfe. Nun mache ich mir Gedanken. Ich rede mit ihr. Ich bin nicht einverstanden, dass sie zu diesem Parkplatz vor unserer Ortschaft ging und die Sachen holte. Ich erkläre ihr, wie gefährlich das hätte werden können. Man hätte ihr auflauern können. Gott, hab ich ihr das nicht beigebracht. Wie kann sie nur so leichtsinnig sein? Ich erkläre es ihr noch einmal so gut ich kann. Hoffentlich hat sie es nun begriffen. Außerdem erkläre ich ihr, das es schon sehr seltsam ist, was dieser Junge einer 14jährigen bringen läßt. Es zeugt nicht von viel Takt und Anstand. Ich bin keine 14 und nicht verknallt. Ich habe davon sicher keine Ahnung.
Sie ist am Boden zerstört. Sie heult sich die Augen aus. Was ist denn passiert? Er, Mike ist tot. Ach du lieber Himmel, das ist furchtbar. Er war erst 19 Jahre alt. Was ist passiert? Er hatte einen Autounfall mit seinem Vater und ist tot. Sie schreibt aus dem tiefsten Kummer ihres Herzens ein Gedicht. Wie toll sie das macht. Ich bin entsetzt über den Tod eines so jungen Menschen und sie tut mir leid. Sie hat es durch einen Freund von Mike erfahren. Er heißt Georg. Sie mailen ab und zu, oder treffen sich im Chat.
Heute morgen bringe ich ihre Wäsche in ihr Zimmer. Sie ist in der Schule. Ich setzt mich an ihren Schreibtisch und starte ihren Computer. Ich öffne ihre Mailbox. Himmel, warum mach ich das. Das habe ich noch nie gemacht. Ich lese einige Namen in ihrem Maileingang. Eileen? Wer ist Eileen? Ich öffne eine Mail: „Hallo, heute muss ich dich mal was fragen. Dein Vater heißt doch soundso, ist dannunddann daundda geboren? [Sie kennt die genauen Daten und alle seine Vornamen] Ich mache zur Zeit ein Praktikum bei derundder Bank in Frankfurt und habe mir die Konten deines Vaters angesehen. Er hat sehr viel Geld mit Aktien gemacht. Auf einem Konto hier hat er über 150.000,00 DM. Du hast mir doch geschrieben, dass du mit deinem Taschengeld nicht auskommst und gerne mehr Geld hättest. Also, dann werde ich dir mal einen guten Tipp geben. Halte dich gut mit deinem Vater. Dann kannst du von ihm bestimmt viel bekommen. Ich habe mir einen Bikinischnitt gemacht, einen Mini angezogen und mich bei meinem Vater auf den Schoss gesetzt. Das hat immer seine Wirkung gezeigt. So solltest du es auch machen. Und beim Bikinischnitt kann es ruhig auch etwas mehr sein. Gib nur acht, dass deine Mom nichts mitkriegt, die macht dir sonst einen Strich durch die Rechnung. ...“
Ach du liebe Scheiße. Was soll ich denn davon halten? Wer um alles in der Welt schreibt meinem Kind so etwas? Wer ist diese Eileen? Woher kennt sie die Daten von meinem Mann?
Er muss mir den Header speichern. Wir müssen feststellen, woher diese Mail kommt. Er kennt sich aus. Ich rufe ihn. Er liest es sich durch. Ich frage ihn, ob er eine Vorstellung hat, woher so etwas kommen kann. Er hat natürlich auch keine Ahnung.
Ich spreche sie darauf an. Sie hat keine weiteren Mails von Eileen. Die anderen wollte ihr Vater ihr auf Diskette speichern. Sie hat keine Diskette. Er hat sie ihr gegeben. Sie ist nicht zu finden. Seltsam. Wir warten auf weitere Mails von Eileen. Es kommen keine mehr.
Ich schreibe oft für ein Meinungsforum im Internet. Dort sind verschiedene Spinner, mit denen man leider zu tun hat. Die können echt heftig werden. Die nerven nicht nur, die benehmen sich sehr daneben. Einer hat eine fingierte Homepage erstellt. Er tat so, als hätte meine Tochter diese HP gebastelt. Dort befanden sich unschöne Sachen. Wir haben es der Kripo angezeigt. Vielleicht stecken diese Typen dahinter?
Es bleibt lange ruhig. Keine verdächtigen Mails mehr.
Es ist spät. Ich komme vom Dachgeschoss aus dem Wohnzimmer die Treppe herunter. Mein Mann kommt in diesem Moment aus dem Zimmer unserer Tochter. Er hat sicher auch schon geschlafen. Er ist in Unterhosen. Ich frage ihn, was sie hat. Nichts, alles in Ordnung murmelt er und verschwindet im Bad. Wie jetzt, alles in Ordnung? Ich gehe zu ihr rein. Sie schläft schon fast. Hat sie Bauchweh? Ist ihr übel? Was war denn? Sie sagt es wäre alles OK. Sie ist ganz heiß und sie ist nackt. Warum hat sie nichts an? Ihr war zu heiß. Komisch, warum sagt sie mir nicht, wenn es ihr nicht gut geht? Ich bleibe ein bisschen bei ihr. Vielleicht hatte sie schlecht geträumt.
Wir kaufen ein Haus. Wir ziehen um.
Mein Mädchen ist noch immer in der Pubertät. Sie wechselt ziemlich oft die Freunde. Manche probieren vielleicht mehr aus als andere. Jeder ist anders. Nun hat sie einen Freund, der ist 14 Jahre älter als sie. Fühle mich nicht sehr wohl dabei. Wo setzt man die Grenze? Wie sehr mischt man sich ein? Kann man es verbieten? Bringt ein Verbot etwas? Sie ist sowieso schon schwierig. Wenn ich mich da auch noch einmische, hasst sie mich nur noch. Welche Argumente würden es ihr verständlich machen? Mir fallen keine ein.
Gut, sie ist 17! Jetzt hat die Pubertät bald ein Ende. Vielen Dank! Das wird meine Nerven schonen. Vielleicht werde ich bei ihr dann auch wieder etwas beliebter.
Sie ruft mich in ihr Zimmer und zeigt mir eine Mail. Von Georg. Georg? Das war doch der Freund von Mike? Ja. Ich lese die Mail. Mir wird schlecht. Mir wird heiß. Ich kotze gleich auf die Tastatur. Das ist Hardcore. Das ist totaler Porno. Er schreibt haarklein was er alles und wie er alles mit ihr machen möchte. Er hat Fotos in diese Mail kopiert. Zum Teil pornographische Bilder, ein BlowJob. Zum Teil auch Bilder von jungen Frauen in ausgesuchter Umgebung. Diese Frauen haben den Kopf meiner Tochter montiert. Ich bin entsetzt, sofern es nicht ein passenderes Wort für mein Empfinden gibt.
Ich gehe in den Keller. Dort hat mein Mann sein Arbeitszimmer. Ich will den Computer. Er soll mir die Tastatur, Maus und Monitor absteckern. Ich will mit dem PC zur Polizei. Die sollen feststellen, ob die Mails von ihm sind. Wie komm ich nur auf so etwas? Wie kann ich so etwas denken? Keine Ahnung. Aber er glaubt mir, dass ich fahre. Er bricht zusammen. Er gibt alles zu. Die Mails sind von ihm. ER ist Mike, Eileen und Georg. Er! All diese Leute gibt es gar nicht. Er war es immer. Er hat die Mails geschreiben, er hat mit ihr gechattet. So ein furchtbarer Verrat. So ein perfider Plan.
Wer hat mich in die Hölle gebeamt? Wie komm ich hierher? Leb ich noch? Bitte, schlag mir doch einer ins Gesicht. Meine Gedanken überschlagen sich. Fassungslosigkeit. Hilflosigkeit. Wut. Enttäuschung. Angst. Verzweiflung. Entsetzen. Ekel. Ungläubigkeit. Gewissheit. Erkennen. Entschlossenheit.
Ich schmeiß ihn raus. Die Tage vergehen. Er sitzt es aus. Die Wochen vergehen. Er hat noch keine Wohnung gefunden. Wir wohnen getrennt in einem Haus. Ich schlafe kaum. Ich lausche nur. Geht er zu ihr. Was macht er? Ich leide sehr. Ich halt es nicht aus.
Ich geh mit meiner Tochter in eine Gesprächstherapie. Mir hilft es. Wir haben Termine gemeinsam und getrennt. Ich habe einen Termin alleine. Ohne das wir viel darüber detailliert gesprochen hätten, habe ich das Gefühl, da war mehr. Ich muss mir meiner Tochter reden. Ich will sie nicht bedrängen. Ich muss es aber wissen. Sie schreibt mir einen Brief. Jetzt weiß ich es.
Er kommt hier nicht mehr rein. Von mir aus kann er auf der Straße schlafen. Schluss. Es ist alles noch viel schlimmer. Dachte nicht, das es noch schlimmer werden könnte und doch es kam so. Er war Abend für Abend in ihrem Zimmer. Er hat sie mißbraucht.
Nun finde ich keine Worte mehr für meine Gefühle. Meine Tränen werden immer heißer. Sie brennen wie Feuer in meinem Gesicht. In meiner Brust habe ich Schmerzen, als hätte ich eine offene, eiternde Wunde unter der Haut. Es schnürt mir die Luft ab. Ich möchte nicht mehr aufwachen. Aber ich muss. Ich habe noch Verantwortung. Ich muss für meine Kinder da sein. Ich muss es besser machen, als bisher. Ich hasse mich. Wieso habe ich nichts gemerkt? Wieso bin ich so naiv und saublöd? Immer wollte ich für meine Kinder dasein. Ich habe versagt.
Diese Gefühle lassen mich seit damals, als mir endlich alles bewußt wurde, ich alles erfuhr, nicht mehr los. Ich kann mich ihrer nicht erwehren. Sie kommen manchmal ganz unerwartet. Oder manchmal durch kleine Episoden, die mich an etwas erinnern. Dann sind sie da und man weiß nicht, wie man damit umgehen soll. Ich kann mein Umfeld nicht damit belasten und versuche sie meistens zu verdrängen. Ich glaube allerdings, dass mir das auf Dauer nicht gut tut. Dann gibt es Momente, da bin ich alleine und kann mich einfach meinem Schmerz und meiner Trauer hingeben. So stark es auch schmerzt, so tief die Trauer auch ist und sehr ich mich auch verachte, ja, manchmal ist es besser, das zu fühlen, als es zu verdrängen. Ich würde mich so gerne mit jemandem darüber austauschen. Doch niemand der es nicht erlebt hat, kann für mich gut genug sein. Es ist doch deutlich zu spüren, wenn man sie reden hört. Sie meinen es gut, aber sie haben keine Ahnung. Sie glauben, sie könnten sich in einen hineinversetzen. Glaubt mir, ihr könnt es nicht. Ihr habt nicht den Anflug einer Idee, von dem wie es wirklich ist. Wie es sich anfühlt. Und glaubt mir, schlaue Sprüche helfen wirklich nicht. Es hilft auch nicht, wenn ihr so tut, als würdet ihr verstehen oder meint, ihr würdet verstehen. In diese Tiefen der Hölle seit ihr noch nicht vorgedrungen.
Als hilfreich und kurzfristig sehr balsamartig für meine Seele empfand ich die Worte des Richters, bei der Verhandlung gegen dieses Vatermonster. Dieser Richter hat ihn so deutlich erkannt und hat ihm seine Schandtat so deutlich vor Augen geführt, hat so klare Worte gefunden und es so verabscheut, das tat gut. Es kam mir vor, als wäre endlich mal ein Mensch in der Lage, es richtig zu erkennen, ihn richtig zu erkennen. Wie psychologisch gefährlich und perfide er ist. Und er hat ihm die richtige Strafe, soweit es in seiner Befugnis war, erteilt. Das tat gut. Vorübergehend.
Und manchmal kann ich es mir zurückrufen und es hilft mir ein Stückchen weiter. Ein Absturz weniger. Doch ganz kann ich meine innerlichen Abstürze nicht kontrollieren. Es geht nicht. Dafür sind diese Gefühle zu stark. Dafür ist man auch zu sehr im Geschehen. Fast täglich hört man irgendetwas von ihm, über ihn. Täglich bringen die Kinder irgendetwas, das einem eine Erinnerung bringt. Es beherrscht und belastet die gesamte Familie.
Ich bin schuldig!
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