Gegen - Missbrauch e.V.

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 Betreff des Beitrags: Nicht-Verbündete
BeitragVerfasst: 17.06.2008, 13:26 
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Es gibt so viele Leute, die mit der Thematik überfordert sind. Manche sind überfordert, obwohl sie es nicht selbst erlebt haben und trotzdem ich zum Beispiel inzwischen gut mit meiner Vergangenheit klar komme.

Das ist schon wieder so ein Punkt, der mir gerade unfair erscheint. Im subjektiven Sinne, mir ist schon klar, dass es nicht so einfach ist.

Mir hat gerade vorgestern wieder ein Bekannter in Bezug auf dieses Thema gesagt, dass es manchmal besser ist, solche Dinge vom anderen nicht zu erfahren. Und dabei ging es nicht um allgemeine Bekanntschaften, sondern schon konkret Partnerschaft. Das ist genau der Punkt, der mich so ank... Was sind das denn für Partnerschaften???? Der eine ist traumatisiert und darf das dem anderen nicht mitteilen?

Ich weiß nicht, wie ich das beurteilen soll. Ja, es gibt Leute, die sich zurück ziehen, weil man missbraucht wurde. Wie nett. Ich musste lange genug schweigen. Ich bin doch nicht schuld daran. Wieso soll ich etwas verschweigen, woran ich nicht schuld bin, womit ich selbst inzwischen klar komme und was eben genau wegen des Schweigens ein so großes gesellschaftliches Tabu ist.

Es ist ja auch nicht so, dass ich damit hausieren gehe. Ich klingele nicht in der Nachbarschaft und sage: Hallo, ich wurde missbraucht.
Aber wenn man jemanden etwas besser kennenlernt und gerade in meinem Fall... da unterhält man sich ja auch, was man so macht. Und ich erzähle dann u. A. irgendwann auch von dem Veren gegen-missbrauch e. V. und mein Engagement. Und dann bleibt die Frage nicht aus: Wieso machst Du das? Und ich bin ehrlich und sage: ich hab es selbst erlebt und will helfen.

Anerkennendes Nicken, gefolgt von einem schlängelnden Rückzug.

Ich wurde missbraucht, ja, aber ich bin jetzt eine erwachsene Frau, die ihr Leben im Griff hat. Ich bin selbstständig, bestreite allein meinen Unterhalt, kann mich gut versorgen. Ich bin auch eine Frau mit einer Sexualität, die in Ordnung ist. Es ist nicht fair, mich mit dem Wort Missbrauch zu markieren und mich darauf zu reduzieren. Ich bin kein Opfer. Ich bin Überlebende.

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 Betreff des Beitrags:
BeitragVerfasst: 17.06.2008, 13:36 
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Liebe Sasita,

da kann ich dir nur nickend zustimmen. Ich geh auch nicht hausieren damit, aber wenn jemand fragt z.b. warum ich berentet bin dann gibt es eine ganz klare Antwort meinerseits.
Ja und tatsächlich die meisten sind erschrocken und ziehen sich dann zurück.
Und wenn ich mal mit eurem T-Shirt rumlaufe....was ich gerne bei so offiziellen Terminen wie mit Jugedamt mache.....dann gibt es komische Blicke.
Aber ich will auch nicht mehr schweigen und wer fragt kriegt Antworten und kein drum herum gerede.

Eine Parntnerschaft habe ich derzeit nicht, aber sicherlich werde ich auch dann nicht verschweigen was mir passiert ist.

l.g.
Mia

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Wirklich reich ist, wer mehr Träume in seiner Seele hat, als die Realität zerstören kann.


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BeitragVerfasst: 18.06.2008, 08:52 
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Hallo Sasita,

wie wir alle wissen, ist das Thema ein gesellschaftliches Tabu. Aber hat man uns nicht schon in unserer Kindheit ein Schweigegelübte auferlegt. Die Frage ist, damals wie heute: Wem nützt es? Damals nütze es dem Täter, ist das heute anders? Ich halte jedenfalls nicht mehr meinen Mund, ich mache nicht mehr das, was man von mir erwartet.

Manchmal habe ich eine Vision: Stell dir vor, alle Betroffenen würden sich an einem Tag zur gleichen Zeit laut melden: "Hier ich und ich und ich...". Dann müssten es alle zur Kenntnis nehmen, was mit unseren Kindern in aller Stille geschieht.

Die die nicht hören wollen, sind entweder Täter oder selbst Betroffene.


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BeitragVerfasst: 18.06.2008, 14:01 
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Liebe Sasita,

ich denk dabei an das Erlebnis einer Frau, die erzählte, wie die Reaktionen auf Trauer bei ihr waren (ich las es nur, ich kenne diese Frau nicht). Sie verlor ein Kind durch Krankheit oder Unfall- nicht durch ne Straftat.
Die Reaktionen es Umfeldes waren Betroffenheit, aber auch Rückzug.
Also so ähnlich wie die Reaktionen, die du erlebst.

Einmal ging sie Einkaufen, da kam eine Nachbarin von der gegenüberleigenden Straßenseite auf sie zu und nahm sie in den Arm. Sie sagte, sie hätte keine Worte, wüsste nicht, was sie sagen sollte- da wär nur dieses Bedürfnis sie in den Arm zu nehmen.
Die Frau beschrieb dieses Erlebnis als unglaublich guttuend.
Sie überlegte, warum die Reaktionen anderer Menschen so anders wären. Und kam zu dem Ergebnis, dass es Hilflosigkeit wäre. Die Angst, daran erinnern zu müssen, vielleicht erneut zu verletzen. Keine Worte zu haben. Und nicht den Mut, auf diese Weise zu reagieren, wie diese Frau es tat.

Ein wenig versöhnte sie das, auch wenn sie es sich anders wünschte. Weil sie nun wusste, es ist kein Abwenden von ihr ist, kein Schuldzuweisen oder alleinelassen, sondern die eigene Hilflosigkeit, die Betroffenheit und die Angst zu verletzen, zu erinnern. Die Angst, nicht die richtigen Worte zu finden. Eine eigene Verletzlichkeit, die hilflos machte und handlungsinkompetent.

Und es erinnert mich an die Worte einer Frau in einem Forum, die als ich mal wieder mit dem Kopf jemandem zu "trösten" versuchte und sie mir sagte, dass das so wenig warm klingt und ich sagte, dass ich einfach nicht wusste, was ich sagen kann, das alles so gerne anders hätte, gerne mit einem Zauberstab alles gut machen würde usw: Weißt du, manchmal sind wir mit der eigenen Hilflosigkeit dem anderen am nächsten.

Das war ne Aufforderung, die Hilflosigkeit zuzulassen und das hab ich verstanden.

An dich die umgekehrte Botschaft: Wenn jemand seine Gefühle nicht zeigen kann, heißt es nicht, dass keine da sind. Es ist vielleicht wirklich in dem Moment einfach nur viel zu große Betroffenheit.
Und ja, es ist unfair. Und ja, verursacht hat es keiner außer den Tätern.

Vielleicht hilft ein wenig, wenn sowas geschieht (jemand sagt nichts und geht oder lenkt auf ein anderes Thema), im Kopf zu denken: Nun hast du keine Worte, bist vielleicht hilflos- damit teilst du ein wenig meine Hilflosigkeit von früher. Doch nun habe ich Worte. Jetzt wo dus weißt: Finde auch du aus diesem Schweigen.

LG,
Pu


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BeitragVerfasst: 18.06.2008, 19:44 
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Dieser "Rückzug", der ist mir auch als "nicht verbündeter" bekannt. Es gibt ein paar Vorfälle in meiner Biographie, bei denen andere auch mit Rückzug reagiert haben. Und irgendwann kam ich auf den Trichter, daß es Hilflosigkeit war.
Daß ich also derjenige war, der helfen mußte. Nicht umgekehrt. Und das hab' ich auch so versucht und mich überwunden und gesagt, wie es mir gut täte, wie sich andere verhalten könnten. Viele Jahre später hab ich dann Rückmeldungen bekommen, daß es gut war, so wie ich es gemacht habe, weil ich anderen eine gewisse Sicherheit im Umgang mit mir vermittelt hatte.
Gelernt habe ich daraus, daß man das, was man als Zurückweisung/Rückzug/Ignoranz empfindet, auch "steuern" kann, indem man dem anderen eine "Gebrauchsanweisung" gibt. Ich habe es also ( natürlich in Maßen und mit Einschränkungen ) selber in der Hand, wie andere reagieren.
Es gibt Überlebende, die können auch formulieren, was ihnen gerade gut täte. Zumindest auf Anfrage. Daher kann ich nur jeden ermuntern, was zu sagen.

( Das soll hier keine Belehrung sein, sondern nur meine ganz persönlichen Erfahrungen.)

lg
Jan


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BeitragVerfasst: 18.06.2008, 20:07 
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Hallo Ihr,

ich danke Euch für die Antworten.

Ich musste einfach mal wohin damit. Ich will und werde mich nicht mehr verstecken, das tue ich schon seit Jahren nicht mehr. Und ich habe auch nicht vor, das zu ändern.

Ich versuche in solchen Situationen zu erklären, ich weiß nur nicht, was davon beim Gegenüber ankommt.

Und manchmal ist das einfach frustrierend. Man fühlt sich, als würde man zwei Schritte zurück machen. Aber es gibt auch ganz andere Momente und ganz andere Reaktionen, die bauen natürlich wieder auf.

Ich will ja gar nichts von den anderen - schon gar kein Mitleid, denn das hilft niemandem. Aber die Aufforderung, darüber lieber zu schweigen, die will ich erst recht nicht.

Liebe Grüße,
Sasa

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 Betreff des Beitrags:
BeitragVerfasst: 18.06.2008, 21:15 
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Liebe Sasita,

nein, wenn jemand auffordert zu schweigen, dann hast du ein Recht ne deutliche Grenze zu setzen und NEIN zu sagen.
Finde ich gut, dass du es tust.

LG,
Pu


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 Betreff des Beitrags: Liebe Sasita!
BeitragVerfasst: 11.07.2008, 11:21 
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Ich wünschte, ich würde bereits diese relativ große positive Einstellung von Dir bereits (wieder?) haben! Ich bewundere Eure Arbeit, auch Dein Engagement, obwohl ich Dich nicht kenne.
Jetzt gerade, kann ich ausdrücken, was ich sagen will. Das ist nur zu oft nicht immer so.
Da schwirren die Gedanken mit Leichtigkeit durch meinen Kopf, aber bis zum Formen der Worte reicht es nicht, weil da eine Sperre ist.
Wahrscheinlich liest Du auch ab und zu meine Beiträge, die, ich weiß, so oft so schwer sind. Meist kann ich das nur in Gedichtform, weil ich, obwohl ich diese Gefühle habe, dadurch mehr Abstand zu mir habe, die Worte sich formen als würden sie andererseits nicht "mich" betreffen, kann ich schwer erklären, wie ich es meine.
Und es ist auch ein Versuch, andere Menschen, die mitlesen, Gefühle u n d vor allem unsere, meine Ereignisse näher zu bringen, so, wie ich es kann. Sie sollen nicht runterziehen - tun es wahrscheinlich oft - aber so i s t es eben bei mir. Und ich denke, nicht Betroffene können vielleicht dadurch ahnen, wie es manchen, allen, von uns geht oder gegangen ist.

Das Schweigen lege ich mir eher mehr und mehr auf, draußen, in der realen Welt. Weil genau das passiert, was die Verbündeten oder Mitleser und Du, oben beschrieben haben. Dieses Gefühl zum Teil der Hilflosigkeit der Thematik gegenüber, dem Unverständnis mir gegenüber, als Kind, als Erwachsene später, nicht NEIN gesagt zu haben, nichts geändert zu haben. Und manchmal, und das ist für mich das Schlimmste, nahezu der Ekel, die Herablassung mir gegenüber, diese Respektlosigkeit, ein teilweise schwacher Mensch zu sein. Die Unterstellung, ja nichts ändern zu w o l l e n. Mein Gott, es ist das, was Du sagst, es ist zum K..., und oft sind es solche Tage, an denen ich von echter, befreiender Fröhlichkeit gewesen bin, und in einer Sekunde in ein tiefes Loch falle.

Ich habe einmal den Wunsch gehabt, durch meine Lebensgeschichte, die ich nahen Menschen nach und nach erzählt habe, durch Engagement, so wie Du es nun schon seit Jahren hast, auch in der Gesellschaft etwas aufzuzeigen, zumindest unsere Mitmenschen aufmerksam zu machen, Verständnis und Mitgefühl, vielleicht selbst etwas zu tun, so gut sie es vermögen, und dieser Wunsch ist nach und nach in mir stecken geblieben. Weil ich die Reaktionen gesehen habe. Zuerst die Betroffenheit, dann, in den meisten Fällen Rückzuck, bei anderen Menschen, die mich auf dieses eine Teil von mir reduziert haben. Und es hat mir nach und nach auch die Hoffnung genommen, dass sich etwas ändern kann, und bin mir im Moment nicht sicher...
Es hat mich dieses Verhalten von zum Teil sehr lieben Menshen, auch ein Stück wieder zerbrochen. Nicht aus ihrer Schuld, sondern aus der Tatsache, dass ich zuvor etwas Wesentliches nicht getan habe: die Therapie und die Bewältigung der Vergangenheit.

Du scheinst das zu einem Großteil hinter Dir zu haben. Aber ich ahne, dass es nach wie vor diese wunden Punkte bei Dir gibt, vielleicht auch manchmal Erschöpfung, auf der Stelle zu treten.
Ich weiß, dass ich wahrscheinlich nicht die Richtige bin, Dir das Positive, das Du und das Team mit Dir, hier geben, vor Augen zu halten. Ich möchte Dir Mut zusprechen, obowhl er mir selbst vielfach noch fehlt, und ja, mehr als gute Wünsche und Gedanken kann ich Dir nicht senden.

Ich wünsche Dir weiterhin viel Kraft, und: danke.

Mit lieben Grüßen, N.

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Man soll nicht das Eine sagen und das Andere denken.


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BeitragVerfasst: 12.07.2008, 01:04 
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Hallo Nora,
danke für Deine Worte.

Es ist nicht einfach. Ich hab viel dran gearbeitet und vielleicht werde ich nie ganz damit durch sein. Hier und da gibt es immer wieder Baustellen oder neue Dinge, die ich auch bearbeiten möchte. Ich reflektiere mich fast ununterbrochen selbst und ja, manchmal ist das anstrengend. Manchmal wäre ich gerne ein dummes Schaf, was grasend auf der Wiese steht und einfach nur glücklich ist. Einfach. Was einfach nur einfach ist.
Das sarkastische Männchen in meinem Kopf flüstert mir zeitgleich zu, dass ich vom Fuchs gerissen werden würde, wenn ich ein dummes, grasendes Schaf wäre, weil mein Leben nun mal einfach so ist :lol:

Was ist sagen will: Eigentlich mag ich mich. Ich mag mich inzwischen. Und ich mag auch was ich tu. Ich mag auch sehr meine Arbeit hier im Verein. Es gibt mir viel. Ich musste mir erst ein dickes Fell anlegen, das ist im Laufe der Jahre gewachsen. Anders geht es nicht. Aber dennoch - mich freut es, wenn ich irgendwo aufklären kann, mich freut es, wenn ich jemandem Mut machen kann. Mich freut es, wenn ich Leute sehe, die lernen, ihren Weg zu gehen und zu beobachten, wie hier der ein oder andere seine Fortschritte macht. Das ist ausreichend, all das, dass ich weiter machen will.

Und ja, doch, Du hast Recht - manchmal gibt es diese Momente, wo man sich fragt, warum man das eigentlich alles tut. Dann poste ich hier und finde auch meist ziemlich bald die Antwort :roll:

Ich wünsch Dir alles Gute und ein großes Stück Unbeschwertheit für dieses Wochenende.

die Sas

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BeitragVerfasst: 09.08.2008, 13:34 
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Ich habe mir mal Eure Beiträge hier durchgelesen. Es ist mutig sich offen zu seinem "Problem" zu bekennen. Aber ich glaube nicht, daß es mein Weg ist. Ich mache Therapie, spreche mit meinem Partner darüber und beruflich mußte ich zugeben, daß ich traumatisiert bin. Die Heimleiterin wollte mir eine Chance geben mich wieder ins Geschäft sozusagen zu bringen. Ich fiel halt auf und habe dann gesagt, daß ich traumatisiert bin. Sie wollte nur mit meinem Therapeuten sprechen.

Privat halte ich mich eher bedeckt. Alle Freundschaften sind weg. Eine Bekannte ist zwar noch da, aber als ich sagte, was wirklich los ist wußte sie auch nicht, was sie sagen sollte.

Wenn ich besser damit umgehen kann würde ich mich auch gern engagieren. Aber ich will niemand an den Pranger stellen, eher im Hintergrund arbeiten. Dann würde ich mich mit Sicherheit auch einsetzen, wenn ich selbst bei anderen Mißbrauch entdecke.

Aber ich will nicht immer nur "die Mißbrauchte" sein. Ich bin ein normaler Mensch wie alle anderen auch.

Mona


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BeitragVerfasst: 09.08.2008, 16:17 
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Hallo Monalisa,

ich möchte wenigstens einmal Folgendes dazu sagen: ich bin auch nicht die Missbrauchte. Ich bin Isabel, 30 Jahre alt, selbstständig und ich mag mich, wie ich bin. Und ich arbeite als 2. Vorsitzende für den Verein gegen-missbrauch e. V. Wenn mich jemand fragt, warum ich das mache (und das passiert eigentlich jedes Mal, wenn im Gespräch "raus kommt", dass ich diese Arbeit mache, dann sage ich, dass ich es selbst erlebt habe. Denn es gibt keinen Grund, das zu verheimlichen.

Das ist für mich auch kein "Problem", dass ich missbraucht wurde. Ich habe Therapie gemacht, mir geht es inzwischen gut, ich möchte anderen helfen.

Warum ist es gesellschaftlich okay, wenn man einen Anschlag im Ausland überlebt hat und traumatisiert ist... oder wenn man etwas anderes Schlimmes erlebt oder überlebt hat - aber nicht wenn es Missbrauch ist. Dann "darf" man nicht traumatisiert sein. Dann muss man sich anhören: nun blick doch mal nach vorne und lass das Vergangene ruhen. Wo ist der Unterschied?

Ich habe sehr, sehr gute Freunde, einige haben es selbst erlebt, andere auch nicht. Und sie akzeptieren mich, wie ich bin. Ich mag keine oberflächlichen "Freundschaften", die brauche ich auch nicht. Ich brauche kein soziales Blabla, bei dem ich mich in der Gesellschaft verstellen muss und eine Rolle spielen muss, nicht ich sein darf, nur weil es vielleicht dem ein oder anderen nicht passt. Ich bin offen und direkt und manchmal für einige zu ehrlich. Ich kann damit sehr gut leben und tu keinem anderen damit weh. Also sehe ich auch nicht ein, warum ich das ändern sollte.

Und na ja - nein ich bin glaub ich kein normaler Mensch *lach*. Aber wie gesagt, ich mag mich so, wie ich bin und es ist gut so, wie ich bin. Ich bin ich. Das ist okay und so soll es bleiben. Wer mitbekommt, dass ich missbraucht wurde und mich deshalb zu einem anderen Menschen machen möchte bzw. mich in eine Rolle pressen will, der hat ganz einfach überhaupt nichts geschnallt.

Wie auch immer. Ich finde, es gibt hier kein Richtig oder Falsch. Jeder sollte so damit umgehen, wie es ihm selbst gut tut. Das ist das Wichtigste.

Liebe Grüße,

Isa

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 Betreff des Beitrags:
BeitragVerfasst: 09.08.2008, 17:40 
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Registriert: 17.09.2005, 11:51
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hallo sasita,

ich habe in einem gespräch mit einem (ehemaligen) polizisten erfahren, dass auch er genau so lange traumatisiert sein durfte, wie sein gegenüber brauchte, um seine schilderungen weg zu packen und in diese komishce "krudes zeug" schublade des gedächtnisses zu legen, die es zu geben scheint

ich denke schon, man darf traumatisiert sein, aber eben nicht langanhaltend, nach (ich sage jetzt einfach ne zahl) 2 jahren "muss dann auch mal gut sein mit der vergangenheit"


ich sehe da also eher garnicht so nen großen unterschied in dem umgang mit verscheidenartig traumatisierten menschen

vielleicht eher im einlassen

also, dass sich die nicht-verbündeten eher auf die schilderung einer traumatisierung eines erwachsenen in einem bestimmten beruf zb eben polizist oder soldat einlassen können, als auf die vorstellung ein kind wird traumatisiert, meistens im rahmen seiner familie.
dass man sich da vielleicht eher noch einlassen kann, weil, man ist ja nicht polizist, nicht soldat, nie im urlaub im jemen gewesen, aber kind war jeder mal

*nachdenklich*
birmas


Zuletzt geändert von Birmas am 10.08.2008, 12:24, insgesamt 1-mal geändert.

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BeitragVerfasst: 10.08.2008, 09:06 
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Beiträge: 41
Ich sehe es etwas anders. Bei einer Kollegin habe ich es miterlebt, ihr Mann war Polizist und hat Einsätze mitgemacht, die er nicht verkraftet hat. Er war dann noch lang im Innendienst, aber irgendwann ging auch das nicht. Er ist Frührentner geworden. Er hat es nicht geschafft sich Psychologen anzuvertrauen, weil Männer damit oft Schwierigkeiten haben. Jetzt ist er einfach nur unglücklich.

Ich denke die meisten Leute wissen einfach nicht wie sie mit uns umgehen sollen. Eine Kämpferin wie ich kämpft auch gegen ihr Trauma an. Aber sie verstehen einfach nicht, daß ich so lang brauche. Das hast meine Vorgängerin ja schon angedeutet.

lg
Mona


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BeitragVerfasst: 10.08.2008, 16:09 
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Huhu,

ich denke, es betrifft nicht nur Missbrauch, dem die Gesellschaft nicht den Heilungsschonraum zubilligen will, die es braucht.
Ebenso der Polizist- oder auch (da ist es meine Erfahrung) Erkrankungen wie Depressionen dürfen gerade mal ein Jahr höchstens da sein- dann heißt es: Komm endlich wieder klar.

Tja- nur geht das eben nicht so, wie man sich das eigentlich auch selbst wünscht. Es ist eine harte Welt manchmal....es liegt wohl daran, dass viele Menschen höchstens mal Liebeskummer kennen- und den nach ein paar Wochen wieder weglegen können. Dann denken sie: Ich komme doch auch klar, jeder hat sein Päckchen, die WOLLEN einfach in Selbstmitleid ertrinken.

Ist nur kein Selbstmitleid-... ist einfach nicht abzustellen.

Also eigentlich wollte ich nur sagen: Vieles darf man nicht haben in den Augen der Mitmenschen- meist ist es an die Zeit gebunden: Anfangs ist es ok, nach nem Jahr ist das Mitleid weg und statt dessen kommen Vorwürfe, die nichts um gar nichts besser oder leichter machen. Im Gegenteil.

Pu


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 Betreff des Beitrags: aus Sicht einer Verbündeten
BeitragVerfasst: 21.08.2008, 10:56 
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Beiträge: 20
Es macht mich betroffen, was ich hier über die allgemeine Reaktionen der Gesellschaft lesen muss. Ich sehe es nicht so, dass man verlangen kann, dass nach einer Therapie oder einem bis zwei Jahren "es mal gut sein sollte". Wenn ich hier so im Forum stöbere frage ich mich, wieso in unserer "aufgeklärten" Gesellschaft, so eine Unwissenheit herrscht. Selbst im oberflächlichsten Hollywood-Streifen über den Vietnam-Krieg oder andere Kriege kommt durch, dass Traumata bei allen Menschen unterschiedlich lange brauchen, bis sie bewältigt werden und immer etwas bleibt.
Aber ich muss zugeben, dass ich auch daran gedacht habe, die Beziehung zu beenden, als ich vom smb meines Partners erfuhr. Warum? Ich habe mir nicht zugetraut, die Hilfe geben zu können, die er braucht. Ich brauche selbst jemanden, an den ich mich anlehnen kann und es ist schon vorgekommen, dass er es nicht konnte und ich für uns beide stark sein musste. Das ist anstrengend und solange es meine Kräfte nicht übersteigt, darf es das auch sein. Aber was ist, wenn ich zu schwach bin?
Gerade diese Woche ist eine sehr harte Woche für mich. Ich möchte nicht all sein Verhalten auf den mb zurückführen, aber diese Woche weiss ich eindeutig, dass er mich wegen seiner Vergangenheit so schlecht behandelt. Ich möchte anmerken, dass er noch keine Therapie gemacht hat, auch nicht hier im Forum ist oder in irgendeinem anderen Forum. Alle Entwicklung, Verarbeitung hat er alleine gemacht.
Als ich es erfuhr, wusste ich auch nicht, wie ich damit umgehen soll. Ich fühlte mich hilflos, obwohl ich es ahnte. Eine Woche bevor er es mir von sich aus sagte, wollte ich ihn fragen, aber ich hatte nicht den Mut. Ich dachte, wenn es wirklich wahr ist, dann wird sich mein Leben stark ändern. Dann habe ich ein schweres Päckchen mit zu tragen. Werde ich das schaffen? Wie gehe ich damit um? Werde ich ständig daran denken müssen? Werde ich ihn von da an immer als Opfer sehen und sonst nichst mehr?
Als ich es dann erfuhr, fühlte ich mich elend. Ich war tief betroffen, ich war wütend auf den Täter, wütend auf die ganze Welt, in der so etwas möglich ist, traurig und wütend, dass meinem geliebten Freund so etwas angetan wurde. Ich war traurig darüber, dass er sich und seinen Körper so sehr hasst und dass sein Selbstbewusstsein und seine Beziehungsfähigkeit so früh zerstört wurde. Er ist ein so lieber und schöner Mann und er sieht es nicht, weil ihm alles geraubt wurde.
Ich konnte ihm das alles aber nicht sagen, denn er hatte gleich wieder dicht gemacht und ich hatte das Gefühl er wollte mich nicht an sich ranlassen. Aber vielleicht habe ich seine Reaktion falsch gedeutet? Vielleicht hätte ich anders reagieren sollen?
Ich finde es toll, wenn Betroffene, egal in welchem Bereich, sagen können, welche Reaktion sie sich wünschen. Das hilft!
Mir hilft es sehr, hier lesen zu können und dass ich weiss, ich muss mich nicht nur auf meine Intuition verlassen, sondern ich kann mich informieren und bekomme Hilfe. Alleine schaffe ich das nicht.
Vielen Dank allen Überlebenden, dass sie anderen Überlebenden und uns Verbündeten helfen wollen und so viel Arbeit und Energie in diesen Verein stecken!

Viele Grüße
Etoile


Zuletzt geändert von Etoile am 21.08.2008, 14:23, insgesamt 1-mal geändert.

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