Sascha hat geschrieben:
Hallo Inex,
das ist sicher ein Problem. Ich muss auch sagen, dass ich mit meiner Familie sehr viel Glück hatte. Gut, meine Eltern haben es strengstens vermieden, das Thema auch nur Ansatzweise anzusprechen. Beide leben mittlerweile nicht mehr. Aber der Rest meine Brüder (3) und meine Neffen und Nichten haben sehr positiv reagiert. Darum viel es mir leicht, offen mit ihnen darüber zu reden. Wir konnten auch viele Ungereimtheiten inzwischen selber klären.
Grade gestern hatte ich Besuch vom mittleren Bruder aus Berlin. Wir haben viel über die Geschichte unserer Familie gesprochen, über die Hilflosigkeit meiner Eltern gegenüber den seelischen Problemen ihrer Kinder. So sehr mich solche offenen Gespräche, die ich mittlerweile führen kann, schmerzen so wichtig sind sie für mich. Stück für Stück kann ich dadurch die Fragen klären (soweit noch möglich) die ich an meine Eltern gehabt hätte. So kann ich mein Gefühl der Einsamkeit schon in früher Jugend erklären, finde den Grund heraus, warum meine Mutter so handelte usw.
Grade das gestrige Gespräch wird dazu führen, dass ich meine Geschichte nochmal erweitern muss um ein weiteres Kapitel. Ich weiß zwar, dass meine Mutter unter ihrer Unfähigkeit litt, Gefühle ausleben zu können, aber es stimmt mich schon sehr traurig, dass ich erst sexuell Missbraucht wurde unter anderem wegen ihrer Unaufmerksamkeit und dann später von ihr seelisch Missbraucht wurde.
Ich glaube heute zu wissen, dass sie zwar immer darunter litt, weil ihr klar war, was sie gemacht hatte, aber es kam nie ein Wort der Rechtfertigung oder der Erklärung über ihre Lippen. Im Gegenteil, ich kann mich an Gesprächer erinnern, die fast aggressiven Character hatten, den ich mir damals nicht erklären konnte. Heute weiß ich warum sie so reagierte. Sie hatte immer Angst, dass ich die Wahrheit erkennen könnte.
Sorry, ich bin jetzt ein wenig ins Erzählen gekommen. Es soll aber nur ein Beispiel dafür sein, wohin es führen kann, wenn man nicht zu dem steht, was war. Das muss natürlich nicht bei dir aus so sein. Heute ist die Welt ja auch erheblich offener geworden wie damals noch bei mir (60er, 70er Jahre). Ich selber sage mir, ich stehe dazu, ich sage in der Familie, was mein Bruder und andere mir angetan haben. Es muss nicht im Detail sein, aber wissen sollte es diejenigen aus meiner direkten Familie, die Kontakt zu dem Täter haben könnten. Es ist mir wichtig. Ich habe gestern meinem Bruder einige Texte zu lesen gegeben von mir. Ich musste heute morgen zur Arbeit und er ist erst etwas später aufgestanden. Er hat mir einen Zettel dagelassen unter anderem mit folgendem Satz:
Ich habe deine Texte gelesen, danke dir dafür, sie haben mich dir nochmal ein Stück näher gebracht, sie haben mich aber auch wütend, traurig und sehr nachdenklich gemacht.
Ich hab gleich wieder weinen müssen. Schade, dass er schon wieder weiter musste. Es ist schön Menschen zu haben, die einen verstehen..
So, jetzt habe ich aber genug von mir geredet udn dich hier zugetextet...
Ganz liebe Grüße & pada
Sascha
Das hast du ganz toll geschrieben, du textest mich nicht zu. Ich wünsche Dir alles, alles Gute im Kontakt mit deinem Bruder und lege Dir leicht meine Hand auf deine Schulter.