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 Betreff des Beitrags: Bitte um eure Einschätzung/Meinung/Gedanken
BeitragVerfasst: 24.01.2013, 18:36 
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Registriert: 24.01.2013, 18:33
Beiträge: 1
Hallo,

bin auf der Suche nach Literatur zum Thema Trauma auf Euer Forum gestoßen und will mich gerne vorstellen.
Es fällt mir nicht leicht, hier zu schreiben, weil ich einfach zur Zeit total verwirrt bin und mir selbst nicht sehr traue. Gerade deswegen würde ich mich sehr freuen, wenn ein paar von Euch mir eine Einschätzung zum Folgenden geben könntet. Das würde mir sehr, sehr helfen, denke ich .
Ich bin 36 Jahre und lebe relativ frisch mit meiner Partnerin zusammen. Unsere Beziehung ist die beste, die ich eh hatte, geprägt von gegenseitigem Respekt, Sein-Lassen, Freiheit, aber natürlich auch viel Nähe und Liebe von beiden Seiten. Es ist das erste Mal, dass ich mit einer Partnerin zusammengezogen bin und es fühlt sich gut an – auch wenn es anfangs in mir auch Angst vor dem Verlust meiner Freiheit gab (bin sehr freiheitsliebend). Diese Angst ist jetzt nicht mehr da. Soviel zu meiner aktuellen Situation.
Was ich schon immer hatte, war diese übermächtige Angst in bestimmten Situationen: besonders vor Dunkelheit (ich kann nicht ohne heftiges Herzklopfen in den Keller gehen; wenn jemand versehentlich zu früh das Licht ausmacht, kriege ich echte Panik, ich würde niemals im Dunkeln spazieren gehen). Das paart sich immer mit einem Gefühl des Verfolgtwerdens – von etwas, das ich nicht einordnen kann. Ich weiß aber, dass es mich kriegen wird, wenn ich allein bin. Ich habe auch des öfteren Träume von Kapuzengestalten, die in der Ecke meines Zimmers sitzen, manchmal kommen sie auch näher. Ich erschrecke mich auch unheimlich oft, sogar in der eigenen Wohnung wenn meine Partnerin in mein Zimmer kommt. Ich habe mit ihr auch schon abgemacht, dass sie nicht mehr zu mir kommt, wenn ich schon das Licht aushabe. Es ist nicht wie ein kurzer Schreck oder so, sondern richtige langanhaltende Angst mit Herzrasen, Schweißausbrüchen etc. Mich belastet das sehr (meine Partnerin auch, schließlich erschrecke ich ja in ihren Augen vor ihr, was natürlich nicht so ist, aber wie soll man sowas nicht persönlich nehmen?) im Moment, es ist, als ob mir ständig etwas im Nacken sitzt, lauert, wartet.
In letzter Zeit schlafe ich auch unheimlich schlecht, liege stundenlang mit klopfendem Herzen wach und habe einfach Angst, dass jemand kommt. Ich erinnere mich daran, dass das eigentlich schon immer so war, dass ich auch als Kind diese Angst hatte, und zwar nicht nur ab und zu, sondern jede Nacht.
Ich merke einfach, dass da vielleicht etwas ist, das ich anschauen muss, und zwar jetzt. Schon lange beschäftigt mich das Thema „Missbrauch“, eher in Bezug auf Freundinnen, die ich habe und die das erleben musste, aber immer auch mal wieder in Bezug auf mich selbst. Ich habe mir immer selbst einen Riegel vorgeschoben, weil ich mich an nichts erinnere und irgendwie nicht „dramatisch“ sein wollte…. Allerdings gibt mir eines sehr zu denken (und nicht erst seit gestern): Meine Mutter hat sich von meinem Vater getrennt als ich drei war. Er war Alkoholiker, laut ihren Aussagen nicht gewalttätig. Es gibt jedoch so eine Geschichte, die mich daran zweifeln lässt: anscheinend hat er als ich mich einmal an der Herdplatte verbrannt habe, mich noch einmal zum Herd geschleift und meine Hand nochmal auf die heiße Platte gelegt – damit ich was lerne…. Nach der Trennung sind meine Mutter und ich erstmal zu meinen Großeltern gezogen. Mein Vater hatte wohl noch Kontakt zu mir und holte mich regelmäßig am Wochenende ab bis ich ca. 7 war. Dann wurde es meiner Mutter zu bunt, denn er schleppte mich wohl durch Kneipen, oder schaute Sportschau und trank – alles nicht sehr kindgerecht. Er durfte mich dann nur in ihrem Beisein sehen, worauf er keine Lust hatte.
Ich habe überhaupt keine Erinnerung an ihn, gar keine, kein Bild, keine Szenen, rein gar nichts. Meine Erinnerung setzt ein, als ich so in der 4. Klasse war, davor gibt es nichts. Ich weiß weder, in welchem Zimmer ich gewohnt habe, welche Möbel da waren, kann mich überhaupt nicht in der Wohnung sehen (meine Mutter wohnt immer noch da), ich erinnere mich nicht an die Zeit bei meinen Großeltern, wo ich da war, wie das war. Und überhaupt nicht an die Besuchstage mit meinem Vater. Nichts, rein gar nichts. Aus Erzählungen höre ich, dass ich ein stilles Kind war, irgendwann unter Verstopfungen litt, meine Mutter mich wohl einer Kinderpsychologin mal vorgestellt hatte, und ich irgendwann auch nicht mehr mit meinem Vater mitgehen wollte. Wie gesagt, das alles nur aus zweiter Hand, meine Restfamilie hat meinen Vater irgendwie komplett ausgelöscht, niemand hat über ihn geredet, er war einfach für mich schon immer weg.
Ich habe vor 3 Jahren eine Therapie wg. Depression und Panikattacken gemacht (VT), wo das Thema Erinnerung auch mal angesprochen wurde. Wir haben uns alte Alben angesehen mit meinem Vater drauf – nichts ist dabei rausgekommen.
Nun möchte ich einfach mal hier in die Runde fragen, was ihr von meiner Geschichte haltet – ich glaube irgendwie nicht, dass es ein Ereignis gab, das traumatisch war, aber irgendwie macht mich diese mangelnde Erinnerung und diese überdimensioniert Angst stutzig. Ich habe auch schon ein wenig rumgelesen zum Thema Trauma und Symptome und kann mich da leider sehr wiederfinden. Versteht mich recht – ich suche nicht krampfhaft nach irgendwas, aber das Thema lässt mich nicht los und ich kann nicht von mir behaupten, dass es mir so, wie ich mich gerade fühle, gut geht. Das tut es eigentlich schon seit langer Zeit nicht…
Ich würde mich sehr freuen, wenn ihr mir hier etwas schreibt!!!
Liebe Grüße
Soulskin


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 Betreff des Beitrags: Re: Bitte um eure Einschätzung/Meinung/Gedanken
BeitragVerfasst: 24.01.2013, 19:40 
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Registriert: 27.11.2006, 12:08
Beiträge: 2046
HI Soulskin,

ich verstehe sehr gut, dass du diese Ängste hast und nachforsche willst. Ist ja auch echt kein Zustand so. Und würde mir auch zu denken geben, würde ebenfalls ebensolchen Vermutungen nachgehen wollen.

Wann du jedoch Klarheit haben wirst, kann dir niemand sagen. Das GEhirn gibt frei, was es frei geben will.

Egal was es ist, ein bischen Unterstützung täte sicher gut, meinst du nicht? Hast du Hilfe? Einen Traumapsychologen oder so?

LG,

Pu

P.S. Ach ja, herzlich Willkommen erstmal ;-)

P.P.S Und fehlende Erinnerungen über eine lange Zeit oder auch gravierende Ereignisse im Leben sollte man schon ernst nehmen. Würde ich auch als Traumasymptom interpretieren.


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 Betreff des Beitrags: Re: Bitte um eure Einschätzung/Meinung/Gedanken
BeitragVerfasst: 25.01.2013, 00:11 
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Registriert: 30.07.2010, 10:27
Beiträge: 294
Hallo Soulskin,
auch herzlich willkommen ;-)

Ich kann verstehen, dass dich das alles nachdenklich macht. Und dass dein Zustand jetzt mit früheren Erlebnnissen und Erfahrungen (im allgemeinen) zusammenhängt, ist ja irdendwie immer der Fall. Gefühle, Muster und Gedanken enstehen seit der Geburt (bzw. auch schon pränatal) und das prägt einen jeden Menschen halt. Daher denke ich, wie Pu schrieb, falls du noch keinen hast, such dir einen guten Therapeuten, mit dem du zusammen hinter deine Ängste guckst.
Ich weiß nicht, ob es explizit ein Traumatherapeut sein muss, auch andere Therapieformen beschäftigen sich ja auch mit Vergangenen, wie zum Beispiel die Tiefenpsychologie. Bei mir war es so, dass ich, bis ich 29 Jahre war, keine Erinnerungen hatte und sie während einer VT wegen Depressionen hoch kamen. Später habe ich dann eine Traumatherapie angefangen.
Wichtig ist meines erachtens, dass du jemanden findest, der mit dir deine Probleme im Jetzt anschaut und dem du vertraust...und was dann von früher an Gedanken, Erinnerungen und Gefühlen kommt, wird sich dann zeigen.

Ich finde es auch komisch, dass du keine Erinnerungen bis zur 4. Klasse hast und kann dein Unbehagen und die Ungewissheit verstehen bezüglch was früher war oder nicht war. Aber eine Antwort darauf wirst nur du irgendwann finden...vielleicht gab es traumatische Ereignisse, vielleicht nicht, ich will dir weder etwas ein noch ausreden.

Ich weiß nicht, ob du das kennst, aber da ich nur rudimentäre Erinnerungsfetzen habe, ist bei mir auch noch viel im Unklaren und ich habe Nächte im Internet über Trauma und smb gesurft, 1000 Bücher darüber gelesen, in der Hoffnung, das Problem zu lösen, eine Antwort im Außen zu finden.
Mittlerweile komme ich zu dem Schluß, dass dieser verzweifelte Versuch mir nix bringt und ich bei mir gucken muss, was da so abgeht?!
Trauma, hin oder her, wichtig ist, wie es in deinem Innern aussieht...hm, sag ich mir immer, wenn ich mal wieder versuche, meine Vergangenheit zu entschlüsseln und in eine biografische Ordnung zu bringen ;-)

Alles Gute, Belita


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 Betreff des Beitrags: Re: Bitte um eure Einschätzung/Meinung/Gedanken
BeitragVerfasst: 26.01.2013, 01:48 
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Registriert: 15.03.2010, 15:22
Beiträge: 2248
Wohnort: München
Hallo Soulskin,
auch herzlich willkommen hier


Ich weis nicht, ob dir meine Erfahrung und Gedanken helfen.

Ich bin seit ich 13 bin war ich immer aus verschieden Gründen in Therapie.

In meiner Kindheit ist mir etwas passiert, dass ich erst seit Sommer 2012 bearbeiten kann. Ich habe das zwar meiner zwei ersten Therapeutin erzählt, aber könnte keine Gefühle zulassen.

Bei mir war es umgekehrt, die Erinnerung sind zwar da, aber die Gefühle waren weg.

Vielleicht wäre noch eine Therapie gut für dich. vielleicht warst du damals nicht dazu bereit.
Wenn du etwas nicht verstehst, frage nach

Ich wünsche dir viel Kraft

Lg
sonne

_________________
Geteilte Sorge ist halbe Sorge darüber zu reden macht uns stark


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 Betreff des Beitrags: Re: Bitte um eure Einschätzung/Meinung/Gedanken
BeitragVerfasst: 28.01.2013, 02:34 
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Registriert: 27.11.2012, 16:19
Beiträge: 25
Hallo Soulskin,

ich kann sehr gut verstehen-wie ja auch die anderen VorschreiberInnnen- dass diese fehlenden Erinnerungen in Kombination mit deinen Ängsten dir zu denken geben. Ich glaube, dass es gut ist, da genauer hinzuschauen mit Hilfe eines Therapeuten, denn offensichtlich sind diese Ängste sehr einschränkend in deiner Lebensgestaltung. Ich finde es aber auch wichtig, dass du dich nicht unter Druck setzt, hier Erinnerungen hochzuholen. Dein Gehirn hat einen Grund, warum es diese Erinnerungen blockt. Diese Grenze solltest du auf jeden Fall ernst nehmen und dich vorsichtig rantasten und mit Hilfe, um dich nicht selbst zu überfordern. Ich bin aufgrund meiner eigenen Geschichte der festen Überzeugung, dass man auch nicht alle Details erinnern muss, auch das solltest du dir bewusst machen.
Ich würde es für wahrscheinlich halten, dass diese Erinnerungslücken traumatisch bedingt sind. Du selbst bist dir da ja auch schon einiger Geschichten aus der Vergangenheit bewusst, die für ein Kind traumatisch sind, wie die Sache mit der Herdplatte oder die Vernachlässigung durch den Vater solange er dich noch unbeaufsichtigt sehen durfte. Das reicht-auch ohne sexuellen Missbrauch- aus für eine kindliche Seele, um traumatisiert zu sein und als Schutzreaktion dann Erinnerungen an die traumatischen Ereignisse bzw. Zeiten abzukappen. Du schreibst, dass du nicht glaubst, dass es ein Ereignis gab, das traumatisch war. Ich nehme an, dass für dich hier ein Trauma Folge eines sexuellen Übergriffs ist, denn die eigene Hand vom Vater auf eine brennende Herdplatte gelegt zu bekommen (statt für den bereits erlittenen Schmerz Trost und Sicherheit zu finden) ist definitiv traumatisch für eine Kinderseele. Auch die Kneipentouren mit einem Alkoholiker haben sicherlich viele stark grenzüberschreitende Erfahrungen mit sich gebracht und ggf dadurch neue Traumata erzeugt oder eine Retraumatisierung, da du wohl auch da nicht die Sicherheit und Stabilität in deinem Vater gefunden hast, die man als Kind von seinen Eltern benötigt um seelisch gesund und stabil groß zu werden. Du schreibst, dass es diese Ausflüge mit dem Vater gab, bis du etwa sieben Jahre alt warst und danach der Kontakt sehr schnell einschlief. Deine Erinnerungen setzen rund 2 Jahre später ein- in der 4. Grundschulklasse. Es wäre durchaus möglich, dass, wenn die Erfahrungen mit deinem Vater ursächlich sind, der Kontaktabbruch zumindest soviel Sicherheit und Stabilität in dein kindliches Leben gebracht hat, dass sich hier etwas grundlegend verbessert hat, weshalb hier die Erinnerung gefahrlos einsetzen kann.
Insgesamt bedeutete das Aufwachsen mit einem Vater, der so grenzüberschreitend ist für das Kind das du warst von Beginn an eine existentielle Bedrohung. Du schreibst über die Ängste in der Nacht, die es deiner Erinnerung nach schon immer gab. Natürlich kann sowas auch das Ergebnis eines sexuellen Missbrauches sein. Aber auch das, was du bereits über deine Geschichte weißt, reicht aus als Erklärung für diese Ängste. Stell dir ein kleines Baby vor, ein Neugeborenes in all seiner Hilflosigkeit und Schutzbedürftigkeit. Für diesen Wurm ist jedes Problem existentiell, denn er ist komplett von seinen Eltern abhängig. Man weiß heute, dass beispielsweise Borderline-Persönlichkeiten unter anderem dadurch entstehen, dass in dieser ersten Lebensphase- in der es für ein Kind nur schwarz-weiß gibt, Bedürfnis erfüllt oder nicht erfüllt, Sicherheit vorhanden oder nicht vorhanden- nicht ausreichend gelungen ist, einem Baby und Kleinkind Sicherheit und Stabilität zu vermitteln. Dies ist also eine sehr fragile Phase. Gehen wir zurück zu dem Baby. Das Baby wächst mit einer Mutter auf, die wie ich annehme fürsorglich ist (zumindest schreibst du nichts, was auf etwas Gegenteiliges schließen ließe) und mit einem kranken Vater, der trank. Da gab es sicherlich Nächte, in denen dieses Baby länger schrie, bis jemand kam, um es hochzunehmen und zu trösten, zu wickeln, zu füttern, zu lieben oder solche, in denen ein trunkener Vater sich dem Baby genähert hat, es vielleicht falsch anfasste oder ignorierte oder anbrüllte. Und jeder dieser Augenblicke, in denen der kleine Wurm zu lange warten musste hat eine Spur hinterlassen in seiner kleinen Seele zu denen die weiteren Spuren bis zum Kontaktabbruch mit dem Vater dazu kamen.

Also Trauma, ja sicher, aber du weißt ja auch schon aus Erzählungen von einigen traumatischen Situationen. Das zu verarbeiten wäre eine Therapie sicherlich hilfreich, um dabei dann auch behutsam zu schauen, was hinter dem Schleier des Vergessens liegt.

Ich wünsche dir auf jeden Fall viel Kraft und Mut, das weiter anzugehen.Hallo Soulskin,

ich kann sehr gut verstehen-wie ja auch die anderen VorschreiberInnnen- dass diese fehlenden Erinnerungen in Kombination mit deinen Ängsten dir zu denken geben. Ich glaube, dass es gut ist, da genauer hinzuschauen mit Hilfe eines Therapeuten, denn offensichtlich sind diese Ängste sehr einschränkend in deiner Lebensgestaltung. Ich finde es aber auch wichtig, dass du dich nicht unter Druck setzt, hier Erinnerungen hochzuholen. Dein Gehirn hat einen Grund, warum es diese Erinnerungen blockt. Diese Grenze solltest du auf jeden Fall ernst nehmen und dich vorsichtig rantasten und mit Hilfe, um dich nicht selbst zu überfordern. Ich bin aufgrund meiner eigenen Geschichte der festen Überzeugung, dass man auch nicht alle Details erinnern muss, auch das solltest du dir bewusst machen.
Ich würde es für wahrscheinlich halten, dass diese Erinnerungslücken traumatisch bedingt sind. Du selbst bist dir da ja auch schon einiger Geschichten aus der Vergangenheit bewusst, die für ein Kind traumatisch sind, wie die Sache mit der Herdplatte oder die Vernachlässigung durch den Vater solange er dich noch unbeaufsichtigt sehen durfte. Das reicht-auch ohne sexuellen Missbrauch- aus für eine kindliche Seele, um traumatisiert zu sein und als Schutzreaktion dann Erinnerungen an die traumatischen Ereignisse bzw. Zeiten abzukappen. Du schreibst, dass du nicht glaubst, dass es ein Ereignis gab, das traumatisch war. Ich nehme an, dass für dich hier ein Trauma Folge eines sexuellen Übergriffs ist, denn die eigene Hand vom Vater auf eine brennende Herdplatte gelegt zu bekommen (statt für den bereits erlittenen Schmerz Trost und Sicherheit zu finden) ist definitiv traumatisch für eine Kinderseele. Auch die Kneipentouren mit einem Alkoholiker haben sicherlich viele stark grenzüberschreitende Erfahrungen mit sich gebracht und ggf dadurch neue Traumata erzeugt oder eine Retraumatisierung, da du wohl auch da nicht die Sicherheit und Stabilität in deinem Vater gefunden hast, die man als Kind von seinen Eltern benötigt um seelisch gesund und stabil groß zu werden. Du schreibst, dass es diese Ausflüge mit dem Vater gab, bis du etwa sieben Jahre alt warst und danach der Kontakt sehr schnell einschlief. Deine Erinnerungen setzen rund 2 Jahre später ein- in der 4. Grundschulklasse. Es wäre durchaus möglich, dass, wenn die Erfahrungen mit deinem Vater ursächlich sind, der Kontaktabbruch zumindest soviel Sicherheit und Stabilität in dein kindliches Leben gebracht hat, dass sich hier etwas grundlegend verbessert hat, weshalb hier die Erinnerung gefahrlos einsetzen kann.
Insgesamt bedeutete das Aufwachsen mit einem Vater, der so grenzüberschreitend ist für das Kind das du warst von Beginn an eine existentielle Bedrohung. Du schreibst über die Ängste in der Nacht, die es deiner Erinnerung nach schon immer gab. Natürlich kann sowas auch das Ergebnis eines sexuellen Missbrauches sein. Aber auch das, was du bereits über deine Geschichte weißt, reicht aus als Erklärung für diese Ängste. Stell dir ein kleines Baby vor, ein Neugeborenes in all seiner Hilflosigkeit und Schutzbedürftigkeit. Für diesen Wurm ist jedes Problem existentiell, denn er ist komplett von seinen Eltern abhängig. Man weiß heute, dass beispielsweise Borderline-Persönlichkeiten unter anderem dadurch entstehen, dass in dieser ersten Lebensphase- in der es für ein Kind nur schwarz-weiß gibt, Bedürfnis erfüllt oder nicht erfüllt, Sicherheit vorhanden oder nicht vorhanden- nicht ausreichend gelungen ist, einem Baby und Kleinkind Sicherheit und Stabilität zu vermitteln. Dies ist also eine sehr fragile Phase. Gehen wir zurück zu dem Baby. Das Baby wächst mit einer Mutter auf, die wie ich annehme fürsorglich ist (zumindest schreibst du nichts, was auf etwas Gegenteiliges schließen ließe) und mit einem kranken Vater, der trank. Da gab es sicherlich Nächte, in denen dieses Baby länger schrie, bis jemand kam, um es hochzunehmen und zu trösten, zu wickeln, zu füttern, zu lieben oder solche, in denen ein trunkener Vater sich dem Baby genähert hat, es vielleicht falsch anfasste oder ignorierte oder anbrüllte. Und jeder dieser Augenblicke, in denen der kleine Wurm zu lange warten musste hat eine Spur hinterlassen in seiner kleinen Seele zu denen die weiteren Spuren bis zum Kontaktabbruch mit dem Vater dazu kamen.

Also Trauma, ja sicher, aber du weißt ja auch schon aus Erzählungen von einigen traumatischen Situationen. Das zu verarbeiten wäre eine Therapie sicherlich hilfreich, um dabei dann auch behutsam zu schauen, was hinter dem Schleier des Vergessens liegt.

Ich wünsche dir auf jeden Fall viel Kraft und Mut, das weiter anzugehen.


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 Betreff des Beitrags: Re: Bitte um eure Einschätzung/Meinung/Gedanken
BeitragVerfasst: 13.06.2014, 17:51 
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Registriert: 27.04.2014, 17:01
Beiträge: 1
Hallo miteinander,
habt Ihr Erfahrung, wie man am besten Traumatherapeuten in Südbayern finden kann?
Erstens suche ich einen für mich.
Nicht wegen Missbrauch; eher wegen Vernachlässigung und einer anderweitigen späteren Gewalterfahrung.
Außerdem kenne ich noch jemanden, der die Hilfe sogar noch dringender brauchen könnte.

Bei meiner Krankenkasse habe ich nichts gefunden.
Wenn man im Internet rumsucht, findet man so manches, auch bei den kassenärztlichen Vereinigungen.
Aber sind diese Leute gut?

Viele Grüße,
Euer SemperInfans


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 Betreff des Beitrags: Re: Bitte um eure Einschätzung/Meinung/Gedanken
BeitragVerfasst: 14.06.2014, 17:01 
Offline

Registriert: 22.04.2011, 18:35
Beiträge: 25
Hallo

ich würde mal auf dieser Seite suchen, dort sind zumindest alles Theras die eine spezielle Qualifikation haben.

http://www.degpt.de/therapeutinnen-suche/

Liebe Grüße & viel Erfolg Totilas

_________________
Das Glück kommt lautlos, aber man hört wenn es geht.
F.Hebbel
Vergangenheit ist, wenn es nicht mehr weh tut.
M.Twain


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