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 Betreff des Beitrags: Missbrauch in der Therapie
BeitragVerfasst: 20.09.2014, 16:51 
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Registriert: 20.09.2014, 11:41
Beiträge: 11
Hallo.

Bevor ich meine Geschichte erzähle, möchte ich sagen, dass ich weiß, dass viele von Euch hier unvergleichlich viel schlimmere Dinge erlebt haben als ich. Deshalb habe ich lange gezögert, ob ich hier etwas schreiben soll, aber ich fühle mich im Moment so allein und habe die Hoffnung, hier Menschen zu treffen, die etwas ähnliches erlebt haben.

Es ist eine lange und komplizierte Geschichte, die ich aber nur in aller Kürze wiedergeben will.

Ich bin 48 Jahre alt (w) und habe eine 14-jährige Tochter. Wir sind beide Asperger-Autisten.
Meine Tochter hat im vorigen Jahr in einer darauf spezialisierten Praxis eine Autismus-spezifische Therapie begonnen. Der Therapeut war Psychologe und der (angestellte) Leiter der Praxis, ein anerkannter Experte für Autismus. Meine Tochter, die viele Probleme im Umgang mit anderen Menschen hat, fühlte sich von Anfang an sehr wohl. Ich habe den Therapeuten im Rahmen der Elterngespräche näher kennen gelernt und war ebenfalls begeistert von seiner Kompetenz und seiner menschlichen Wärme. Wir haben immer öfter das Gespräch miteinander gesucht, und er hat mir auch Hilfe bei meinen persönlichen Problemen angeboten. Ich leide unter Depressionen und Ängsten, und durch meinen Autismus ist mein Alltag sehr schwierig, meine Ehe kriselte seit längerer Zeit. Der Therapeut sagte mir, er sei auch Asperger und habe ebenfalls Eheprobleme.

Ich habe mich in ihn verliebt, ich konnte nichts dagegen tun. Bei ihm habe ich mich so gut aufgehoben gefühlt, und er hat sich so toll um meine Tochter gekümmert. Er sagte uns oft, wir seien etwas ganz Besonderes und er würde auch nach der Therapie unser Freund bleiben. Zum ersten Mal habe ich mich so angenommen gefühlt, wie ich bin - es war traumhaft, als käme man nach allden Jahren endlich "nach Hause". Und es wurde noch schöner: Auch er verliebte sich in mich! Wir trafen uns mehrmals außerhalb der Praxis und schrieben uns täglich viele Mails. Er sagte, ich sei seine ganz große Liebe und er wolle sein Leben mit mir und meiner Tochter teilen. Ich trennte mich von meinem Mann, sagte ihm aber nicht den Grund. Der Therapeut meinte, wir sollten die Therapie meiner Tochter nicht gefährden und unsere Liebe deshalb geheim halten. Er werde sich aber auch von seiner Frau trennen, und dann würden wir bis an unser Lebensende zusammen bleiben.

Es kam anders: Er schaffte es nicht, von seiner Frau zu trennen. Ich bemerkte seine Zweifel und sprach ihn darauf an, aber er sagte, er gehöre zu mir. In dieser Situation entdeckte mein Mann durch eine von mir aus Versehen nicht gelöschte Mail, dass der Therapeut mein neuer Freund war. Er war sehr wütend und drohte, alles seiner Chefin und seiner Frau zu erzählen. Nun musste mein Freund selbst beiden die Sache beichten. Erst später erfuhr ich, dass er dabei nicht die Wahrheit gesagt hatte, sondern behauptet hat, es sei alles von mir ausgegangen, ich hätte ihn geküsst und er hätte es nur erwidert. Und ich sei diejenige gewesen, die eine gemeinsame Zukunft geplant hatte, er habe das nie gewollt.
Er hat mich dann von einem Tag auf den anderen verlassen, weil er seine Ehe und seinen Job retten wollte und hat mir noch Anweisungen erteilt, dass ich seiner Frau und seiner Chefin nichts sagen solle. Er sagte, es tue ihm sehr leid, aber er habe gemerkt, dass das mit uns nicht richtig sei und dass er seine Frau liebe. Er habe es mir nicht sagen wollen, um mich nicht zu verletzen, und es sei auch so schön gewesen, von mir so geliebt zu werden.

Es war für mich entsetzlich. Am liebsten wäre ich gestorben. Ich habe ihn so geliebt, habe ganz fest auf ihn gebaut, und er war einfach weg. Und ich war im Endeffekt nur eine "Gefühlstankstelle" für ihn. Ich habe mich selbst verletzt, habe fast 10 Kilo abgenommen, musste Tabletten nehmen, um überhaupt weitermachen zu können. Ich habe verzweifelt versucht, ihn zu erreichen. Ich dachte, er würde nach all den Versprechen wenigstens mein Freund bleiben und mir durch diese schwere Zeit helfen. Er hat jeden Kontakt blockiert. Mein Mann tobte, war wütend, beschimpfte mich, meine Tochter war todtraurig, dass sie den besten Freund verloren hatte und spricht seitdem kein Wort mehr mit ihrem Vater, der nach dem Bekanntwerden der Beziehung ihre Therapie sofort beendet hatte, weil ihm natürlich jedes Vertrauen in die Praxis fehlte.

Die Situation ist nun folgende: Mein Mann wird den Therapeuten anzeigen, weil er juristisch gesehen keine Beziehung zu mir hätte anfangen dürfen. Ich habe meinem Freund ja versprochen, nichts zu tun, was ihm schaden könnte. Aber als es mir immer schlechter ging, habe ich mir bei mehreren Beratungsstellen Rat geholt. Dabei habe ich erfahren (von zwei Psychologen), dass es sich bei dem Geschehenen nicht um eine schlichte Liebesgeschichte handelt, sondern dass es eindeutig sexueller Missbrauch in der Therapie gewesen sei. Ich habe den Mann ja nicht als "normalen" Menschen kennen gelernt und erlebt, sondern nur in der Rolle des bewunderten Therapeuten. Auch wenn ich nicht seine Patientin gewesen bin, hätte es sich doch um eine Beratungssituation gehandelt und er hätte deshalb niemals eine persönliche Beziehung zu mir aufnehmen dürfen. Zwischen Therapeut und Patient/Ratsuchendem existiert immer ein enormes Machtgefälle und ein Abhängigkeit. Deshalb ist auch mein Sturz so tief und die Depression so heftig.

Ich werde nun wohl bei einem eventuellen Strafprozess aussagen müssen, als Zeugin. Ich bin völlig fertig - ich will meinem Freund nicht schaden. Ich glaube ihm, dass er mir nicht mit Absicht so geschadet hat. Aber auf der anderen Seite hat er mir so unendlich weh getan, hat mich und meine Tochter in einer schwierigen Lage, die er ja mit verursacht hat, so völlig allein und im Stich gelassen.
So schlecht ging es mir noch nie. Der Verstand (und die Ratgeber) sagen: Er hat sich falsch verhalten, hat unerlaubt Grenzen überschritten und uns geschadet. Und das Herz wartet unermüdlich darauf, dass er zurückkommt, vor der Tür steht und alle seine wunderschönen Versprechen einlöst. Ich bin innerlich völlig zerrissen und so traurig und allein wie nie zuvor in meinem Leben. Ich liebe ihn trotz allem noch so sehr. Und ich bin mir sicher, nie wieder jemanden so sehr lieben zu können. Es war, als wäre der schönste Traum wahr geworden, als wäre nach all den Jahren doch noch der "Märchenprinz" erschienen.

Oft suche ich die Schuld bei mir, denke, ich war einfach nicht gut genug, sonst hätte er seine Versprechen wahr gemacht.

Hat einer von Euch ähnliches erlebt? Wie seid Ihr mit der Situation klar gekommen?

Danke!
caro


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 Betreff des Beitrags: Re: Missbrauch in der Therapie
BeitragVerfasst: 20.09.2014, 17:27 
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Registriert: 15.03.2010, 15:22
Beiträge: 2248
Wohnort: München
hi caro

ich habe gerade kein Rat. Auf jeden Fall bist du und deine Geschichte hier willkommem
ich kann dir nur in Chat zuhoren

_________________
Geteilte Sorge ist halbe Sorge darüber zu reden macht uns stark


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 Betreff des Beitrags: Re: Missbrauch in der Therapie
BeitragVerfasst: 20.09.2014, 21:21 
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Registriert: 08.12.2013, 12:31
Beiträge: 1512
caro22 hat geschrieben:
Hallo.

Ich bin völlig fertig - ich will meinem Freund nicht schaden. Ich glaube ihm, dass er mir nicht mit Absicht so geschadet hat. Aber auf der anderen Seite hat er mir so unendlich weh getan, hat mich und meine Tochter in einer schwierigen Lage, die er ja mit verursacht hat, so völlig allein und im Stich gelassen.


mag sein, dass er dir nicht absichtlich hat schaden wollen. Aber er hat es absichtlich in Kauf genommen, dir zu schaden. Er hat absichtlich gelogen, um seine Ehe und seinen Job zu retten. Wie es dir dabei geht, war im sch*** egal, sonst hätte er nicht so dreist gelogen und auch danach noch anders reagiert.

Grade als Therapeut sollte er wissen, was so eine Reaktion auslösen kann.

Mag sein, dass er nicht den Vorsatz hatte, dir zu schaden.
Aber er hat dir insofern mit Absicht geschadet, als dass er bewusst gelogen hat (es sei denn er macht sich selbst etwas vor und glaubt auch noch an seine eigene Lüge), dass er als Therapeut wissen hätte müssen, was er mit seinem Verhalten danach anrichtet
aber auch hätte er als Therapeut vorher wissen müssen, was er damit anrichtet, was er aufs Spiel setzt und ob er bereit ist das zu riskieren.

Er hatte den Vorsatz seine eigene Haut/Job zu retten, auch auf Kosten, dass er dir schadet.

Von daher kann ich nicht glauben, dass es wirklich Liebe war, was er dir entgegen gebracht hat.

Es fällt schwer und man möchte es selbst nicht glauben. Aber manche Menschen nutzen einen se*u*ll aus, sprechen von Liebe, fühlt sich so an, aber wenn es darauf ankommt, ist man ihnen so egal :wall

Zu einem Therapeuten hatte ich noch keine Beziehung. Aber so ausgenutzt worden bin ich auch schon. :x

_________________
Reden ist Silber, Schweigen ist Gold... und wer bezahlt (dafür)?


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 Betreff des Beitrags: Re: Missbrauch in der Therapie
BeitragVerfasst: 24.09.2014, 18:53 
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Registriert: 20.09.2014, 11:41
Beiträge: 11
Vielen Dank für die deutlichen Worte!
Es tut gut, ab und zu auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt zu werden. Gerade, wenn man wie ich dazu neigt, den Betreffenden zu verherrlichen.

Was mir aber trotzdem sehr zu schaffen macht, ist die offensichtliche Verachtung meines Freundes. Als ich ihn gar nicht erreichen konnte, habe ich es über seinen Freund und Kollegen versucht. Ich war wirklich in Panik und wollte einfach wissen, wie es meinem Freund geht. Und ob ich ihm geschadet habe, weil ich in einem unbedachten Moment auf eine Mail seiner Frau geantwortet hatte. Ich wollte ihm helfen, habe ihr gesagt, dass nichts Ernsthaftes zwischen uns war. Aber es war wohl trotzdem falsch, ihr überhaupt zu antworten.
Der Kollege, den ich immer als Freund betrachtet hatte, hat mir nicht geantwortet (obwohl er mir und meiner Tochter am Anfang nach der Trennung Hilfe angeboten hatte), sondern hat getwittert "Ich könnte im Strahl kotzen!" und hat mich dann bei der Chefin meines Freundes verraten, die mir daraufhin eine scharfe Mail geschrieben hat, dass ich es unterlassen soll, ihre Therapeuten zu belästigen.
Wenn sein Freund so verachtungsvoll reagiert, bedeutet das, dass er selbst es genau so sieht. Die beiden sind sehr eng befreundet. Und ich weiß einfach nicht, was sie mir so übel nehmen. Sie könnten es mir doch wenigstens sagen, dann könnte ich es ja vielleicht aufklären.
Es ist eine echte Qual. Habe mich noch nie so verlassen gefühlt. Als wäre ich allein in der Wüste. Oder eher nackt im Wind. Von der geliebten Frau zur verachteten Verrückten. Schlimm. Muss immer darüber grübeln.

Danke für Euren Beistand! So fühle ich mich ein kleines bisschen weniger allein.


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 Betreff des Beitrags: Re: Missbrauch in der Therapie
BeitragVerfasst: 25.09.2014, 12:56 
Liebe Caro,

ich sehe das ganz ähnlich wie unterwegs.
Er versucht seine Haut zu retten und hat das, was gewesen ist, wahrscheinlich entsprechend dargestellt.
Ich fürchte, dort kannst du nicht mehr auf Verständnis hoffen.
Unmöglich finde ich, wie er versucht, dir jetzt die Schuld in die Schule zu schieben.
Lass das innerlich nicht mit dir machen. Er wusste, was er tut und hätte es besser wissen müssen.
Vielleicht hilft es, wenn du dir das immer wieder sagst. Die Situation muss echt schmerzlich sein für dich.
Kannst du dir woanders Hilfe oder Beratung holen, um dich auch zu schützen?

Ganz liebe Grüße
Blue


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 Betreff des Beitrags: Re: Missbrauch in der Therapie
BeitragVerfasst: 28.09.2014, 12:33 
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Registriert: 20.09.2014, 11:41
Beiträge: 11
Liebe blue,

Deine aufmunternden Worte haben mir sehr geholfen!
Ich finde es toll, hier so viel freundliche Zuwendung und Verständnis zu bekommen, vor allem, wenn man bedenkt, dass viele von Euch sicherlich viel Schlimmeres erlebt haben.
Danke!!!

Ich habe Freunde, mit denen ich reden kann. Allerdings stößt man da natürlich auf Grenzen. Für Außenstehende ist es wohl nur schwer nachzuvollziehen, was da in mir vorgeht. Die Beratungsstellen, an die ich mich gewandt habe, haben ja alle bestätigt, dass das Verhalten meines Freundes unverantwortlich war und dass es für Betroffene sehr schwer ist, so etwas zu verarbeiten. Ist ein Trost, macht die Sache aber nicht wirklich leichter.

Man hat mir gesagt, dass man ein solches Erlebnis eigentlich nur mit professioneller Hilfe bewältigen kann. Ich muss versuchen, eine Psychotherapie zu bekommen. Wird aber schwierig, da ich aufgrund meiner Depressionen und Angststörungen in den letzten Jahren schon in Therapie war und die Versicherung da nicht mehr mitspielt.

Ich habe nun einen Termin bei einer Anwältin, um solche Fragen zu klären. Wenn es gar nicht anders geht, werde ich ihn auf Schmerzensgeld verklagen müssen. Bei dem Gedanken dreht sich aber mein Magen um. Ich habe vom Verstand her erkannt, dass er sich falsch und grausam verhalten hat. Aber er ist mir einfach so nah gekommen, dass ich es nicht wirklich verinnerlichen kann, ihn nun als "Gegner" zu sehen.

Ich kann ja auch nicht einfach in mein altes Leben zurückkehren, denn das gibt es ja nicht mehr. Ich habe ja alles in Trümmer gelegt und meinem Mann sehr weh getan. Und ich muss auch die Verantwortung für das übernehmen, was ich da angerichtet habe. Ich bin ja nicht unzurechnungsfähig und hätte selbst mehr Verantwortung zeigen müssen. Das Traumbild, das mein Freund (mein Feind?) aufgebaut hat, war einfach zu schön, da bin ich schwach geworden. War wohl sehr naiv, das alles zu glauben. Ich wollte es einfach glauben. Und ich habe ihm blind vertraut. Normalerweise bin ich ziemlich misstrauisch, aber er war in meinen Augen der vertrauenswürdigste Mensch, dem ich je begegnet bin. Ich wollte ihm ja sogar meine Tochter anvertrauen.

Eigentlich wäre es wohl wirklich gerechtfertigt, wenn er wegen dieser Sache seinen Job verliert. Aber ich verzweifle bei dem Gedanken an seine Verachtung. Kann ich nicht ertragen. Ich hoffe, dass irgendwann die Wut in mir aufkommt und ich ihn hassen kann. Aber im Moment liebe ich ihn noch und vermisse ihn unerträglich. Verrückt.

Vielen lieben Dank Euch allen!!!


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