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 Betreff des Beitrags: Kollegen.
BeitragVerfasst: 20.06.2016, 13:22 
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Registriert: 01.06.2006, 16:34
Beiträge: 34
Hej,

ich bin in der Therapie gerade dabei, meine Sprache zu finden. Das ist furchtbar anstrengend und schmerzhaft.
Das kann ich auch auf der Arbeit nicht ganz verbergen. Ich arbeite in einem Team, in dem auch mal Raum für persönliches ist, sie wissen, dass ich Therapie mache, und da es manchmal echt heftig war, habe ich auch gesagt, dass ich in Therapie mich mit Trauma beschäftige.
Nun gibt es Momente, in denen ich abdrifte - vermutlich dissoziiere - ich bin dann "weg". Insgesamt brauche ich manchmal echt Kraft, anwesend zu bleiben. Eine Kollegin hat mich da auch schon offen drauf angesprochen (was ich gut finde, auch, wenn es mich betroffen macht). Früher konnte ich immer verheimlichen, wie es mir geht, heute ist das anders, man sieht mir an, wenn es mir nicht gut geht, wenn ich genervt bin etc.

Wie kann ich, falls das nochmal aufkommt, Kollegen erklären, was in mir vorgeht. Wie sage ich, weshalb es so anstrengend ist, anwesend zu bleiben.
Ich balanciere zwischen "ich will nicht, das jemand was merkt, es ist doch alles gut" und den Wissen, dass das nicht stimmt - und mir kauft bei der Arbeit niemand ab, dass "alles in Ordnung" ist. Ich will aber nicht soviel Raum einnehmen, will nicht, dass sich jemand Gedanken macht, Sorgen womöglich, ich will normal funktionieren. Und dennoch gesehen werden
Es ist gerade ganz vieles wirklich in Ordnung, sonst wäre Trauma jetzt nicht Thema.

Ich freue mich arbeiten zu gehen und doch kostet es Kraft. Es gibt mir Halt.
Aber manchmal sitzte ich am Schreibtisch und möchte weinen, weil alles zu nah ist, zu viel.
Wie macht ihr das?

Samirah


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 Betreff des Beitrags: Re: Kollegen.
BeitragVerfasst: 20.06.2016, 17:36 
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Registriert: 08.12.2013, 12:31
Beiträge: 1512
Hi, ich kenne das auch
und lügen will ich auch nicht

das verbergen müssen war und ist manchmal Schutz. Nicht so sehr vor den anderen, sondern vor Tatpersonen, wo fühlen bestraft wurde (bei mir jedenfalls).

Bei anderen ist es auch dieses nicht so viel Raum einnehmen wollen
(aber manchmal ist ein - noch weniger Raum einnehmen auch ein nicht existieren, weil ich eh schon so zurückgezogen bin/war)

nun, wenn alles gut wäre, würdest du keine Therapie machen/brauchen. :wink:
bei mir war das früher ein Spruch zum überleben. Nicht so sehr, es ist alles gut, sondern viel mehr ein "es könnte schlimmer sein und ich bin froh, dass es so gesehen ganz gut läuft" (das liegt dem Wahrheitsgehalt näher)

Inzwischen hab ich gelernt auch zu zu geben, wenn es mir nicht gut geht. Das ist wichtig.
Aber auch, muss ja nicht gleich raumfüllend sein.

Ein: mir gehts grade nicht gut
oder ich hab viel Stress
oder: war ne schwere Zeit, jetzt wird es wieder besser

sagen so viel aus, sind soooo ehrlich
und verschweigen so viel

wen es interessiert, fragt nach
wen es nicht interessiert, braucht's nicht wissen

(manche fragen auch nach, wenn sie es nicht wissen wollen und manche fragen nicht nach, obwohl sie es interessiert), das ist dann so ne Bauch-Übungssache zu gucken, wem ich was erzähle

lügen mag ich nicht
aus zweierlei Gründen - wenn es mir doch jemand ansieht oder offensichtlich ist, dass nicht alles ok ist, dann fühlen sich manche angelogen
(egal wie viel ich verberge, Restposten-Folgen meiner Vergangenheit gab es immer)
(bei manchen ist es mir egal, aber bei manchen, denen ich vertraue, aber nicht mal offensichtliches zugebe... )

und das andere
wie soll ich was ändern oder wie können andere auch nur im Ansatz Rücksicht nehmen

mal angenommen mir geht es besch***en und keiner weiß es. Dann soll ich mein Pensum halten, weil keiner was ahnt.
wenn aber manche wissen, hey, der geht es nicht so gut (muss ja nix genaues sein), dann können sie mit Fehlern, Vergesslichkeit, Unruhe, Abschweifen besser umgehen
das ist dann erklärbar, "normal"

wenn mir das passiert und alle denken, es würde mir gut gehen, dann käme die Frage auf, wie viel ich nicht auf die Reihe bekomme, wenn es mir "wirklich" mal schlecht geht


von daher nutze ich so allgemeine Wörter wie
Stress
viel los
brüte was aus (wenn eine Erkältung im Anmarsch ist)
wenig geschlafen (warum geht niemanden was an)
unruhige Nacht gehabt
zu spät ins Bett (wenn's nicht zu häufig vorkommt)
Kopfschmerzen

das tiefere dahinter kennen nur wenige und das reicht auch


gut gehen ist halt schwierig
zum einen weil dann Erwartungen höher sind (wieso, der geht's doch gut)
zum anderen, weil es halt auch ein Stück weit eine Art Lüge ist, bei manchen Menschen notwendig, aber bei anderen kann das auch was kaputt machen, auch bei sich selbst

_________________
Reden ist Silber, Schweigen ist Gold... und wer bezahlt (dafür)?


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 Betreff des Beitrags: Re: Kollegen.
BeitragVerfasst: 21.06.2016, 08:08 
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Registriert: 07.09.2013, 11:31
Beiträge: 844
Hallo Samirah,

ich kann Dich gut verstehen. Im Job ist das manchmal eine ganz schöne Gradwanderung. Ich bin in der gleichen Situation. Ich stecke gerade ebenfalls tief in der Therapie (teilweise habe ich auch da noch keine Worte für bestimmte Dinge gefunden) und gehe dennoch nebenbei arbeiten. Meine Kollegin weiß, dass ich in Behandlung bin, meine andere Kollegen allerdings nicht. Es gab auch schon Tage, an denen den anderen aufgefallen ist, dass es mir nicht gut geht. Teilweise haben sie mich auch drauf angesprochen. Ich habe aber nur gesagt, dass ich momentan ein paar Probleme habe und bin nicht weiter darauf eingegangen, da ich nicht möchte, dass von dem Problem jeder weiß. Ich kenne auch die Tage, an denen man am Schreibtisch sitzt und einfach nur weinen könnte. Wenn es mal ganz schlimm ist, dann gehe ich für eine kurze Zeit zum Durchatmen raus oder mal zur Toilette. Mit entsprechenden Atemübungen funktioniert das auch manchmal ganz gut. Da habe ich einige Möglichkeiten beim Yoga mit an die Hand bekommen. Das hilft mir teilweise sehr.

Alles in Allem bin ich aber sehr froh, dass ich die Arbeit habe und sie auch ausführen kann. Denn das ist für mich in der momentanen Situtation sehr hilfreich und natürlich auch eine Ablenkung.

Ich wünsche Dir weiterhin Alles Gute und viel Kraft.

Liebe Grüße Melanie

_________________
Auch ein langer Weg beginnt mit einem ersten Schritt...


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 Betreff des Beitrags: Re: Kollegen.
BeitragVerfasst: 24.06.2016, 13:28 
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Registriert: 01.06.2006, 16:34
Beiträge: 34
Danke euch, ich fühle mich verstanden.

Ich würde heir gerne mehr schreiben, bin aber unsicher, weil ich fürchte, "erkannt" zu werden. Tut mir leid.

Samirah


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 Betreff des Beitrags: Re: Kollegen.
BeitragVerfasst: 04.08.2016, 10:10 
Offline

Registriert: 01.06.2006, 16:34
Beiträge: 34
Jetzt schreibe ich doch nochmal.

Um zu sagen, dass ich tolle Kolleginnen habe - jede einzelne. Die eine, die mich einfahc mal in den Arm nimmt, wenn mir die Tränen kommen, die andere, der ich erkläre, warum ich eine bestimmte Fortbildung ncih tmachen möchte (ich möchte mich zur Zeit nicht im Bereich Traumata fortbilden), der ich sagen kann, dass ich mich da persönlich gerade mit auseinander setze, die einfach sagt, dass ich da ja gerade viel zu tun habe, und das einfach so stehen lässt. Ich habe ein großes Glück mit dieser Arbeitsstelle und den Kolleginnen. Sie müssen nicht verstehen, was ich gerade mache, womit ich miuch gerade beschäftige und wie sich das anfühlt - aber hier darf ich sein. Und meine Arbeit schaffe ich gut, darauf bin ich auch ein bisschen stolz...


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