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 Betreff des Beitrags: Falsche Erinnerung oder Tatsache?
BeitragVerfasst: 03.04.2018, 21:20 
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Registriert: 23.07.2017, 04:01
Beiträge: 1
Guten Abend zusammen,

ich bin mittlerweile schon seit letzem Sommer hier angemeldet, habe mich aber bisher nicht so recht getraut, auch aktiv in diesem Forum mitzuwirken.

Seit Anfang letzten Jahres befinde ich mich in psychotherapeutischer Behandlung, hauptsächlich wegen Depressionen, die wohl nur die Spitze des Eisbergs sind, habe aber auch folgende Erinnerung/Situation mit meinem Therapeuten besprochen:

Es war im Februar 1995, da war ich ein Knabe von 12 Jahren. Wir feierten mit Bekannten aus einem Gesangsverein, in dem auch mein Vater Mitglied war, Karneval.
Zu Gast war auch der Sangesbruder, nennen wir ihn "B.", mittleren Alters, der in diesem gewissen Erinnerungsfetzen die "Hauptrolle" spielt. Vom Typ her war er extrem autoritär und dominant.
Ich sehe mich gemeinsam mit diesem Mann im Schlafzimmer der Wohnung - sie gehörte einem weiteren Sangesbruder meines Vaters. Ich stehe am Fußende des
Ehebettes, und "B." schubst mich ziemlich grob auf das Bett.
Das war auch schon die Situation, der Rest verschwindet im Nebel. Ich kann mich leider weder daran erinnern, ob die Schlafzimmertüre geschlossen/abgeschlossen war oder offen,
was vielleicht auch nix zur Sache tut, noch an bestimmte Worte oder Taten. Auch mit meinen Eltern habe ich, so ich es richtig in Erinnerung habe, kaum über diese Gedanken/Situation gesprochen.
Was ich allerdings fühle, wenn ich an diese Situation denke, ist starke Beklemmung und Unwohlsein, sodass im Magenbereich eine Anspannung entsteht.

Zur Info: Sangesbruder "B." lebt inzwischen nicht mehr.

Diese Gedanken schilderte ich im letzten Jahr auch meinem Therapeuten, der mich auf die Gefahr von "falschen Erinnerungen" hinwies.

Doch bis heute taucht dieses "Erlebnis", begleitet von diesem Beklemmungsgefühl, vor meinem inneren Auge auf...
Und wenn ich mir meinen soeben geschriebenen Text nochmal aufmerksam durchlese, versuche ich die aufkommenden Tränen und die Traurigkeit zu unterdrücken.

1.) Bilde ich mir das alles wirklich nur ein, um eventuell Mitleid zu erregen?
2.) Tue ich einem Menschen Unrecht, der sich gar nix hat zu Schulden kommen lassen?
3.) Warum beschäftigt mich diese Situation immer wieder - auch wenn sie manchmal für Monate im Nirwana verschwindet?
4.) Weshalb fühle ich mit Jungs als Opfern von Missbrauch und Gewalt mehr mit, als es bei Mädchen der Fall ist?
5.) Ist es tatsächlich nur eine Einbildung bzw. "falsche Erinnerung"?

Fragen über Fragen...

Ich würde mich über eure objektiven Meinungen freuen, damit ich vielleicht einen Eindruck davon bekomme, was mit mir nicht stimmt.

Vielen Dank schonmal!

Wölfische Grüße,
CanisLupus


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 Betreff des Beitrags: Re: Falsche Erinnerung oder Tatsache?
BeitragVerfasst: 04.04.2018, 16:35 
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Registriert: 07.09.2013, 11:31
Beiträge: 844
Hallo CanisLupus,

vielen Dank für Deinen Beitrag. Das ist natürlich schwierig zu sagen. So wie Du die Situation schilderst, sieht es mir nicht nach einer „falschen Erinnerung“ aus und ich glaube auch nicht, dass Du Dir das nur einbildest. Allein Dein Gefühl der Beklemmung im Zusammenhang mit dieser Situation (auch wenn teilweise bestimmte Dinge im Nebel verschwinden) machen mich schon ein wenig stutzig. Und dann die aufkommenden Gefühle und Tränen, die Du versuchst zu unterdrücken, deuten für mich schon darauf hin, dass da evtl. etwas gewesen sein könnte, was Du in eine „Schublade“ gesteckt haben könntest. Das kann durchaus sein, muss aber natürlich auch nicht.
Aus eigener Erfahrung kann ich nur sagen, dass ich solche Gefühle wie Beklemmungen, tiefe Gefühle und Traurigkeit im Zusammenhang mit meiner Situation auch immer wieder erlebe und eigentlich dachte ich, dass die meisten Erinnerungen mittlerweile, nach ziemlich intensiver Arbeit , vorhanden sind. Aber gerade vor einer Woche kamen nochmals zusätzliche Erinnerungen / Träume auf, die ich bisher nicht präsent hatte. Auch hierbei hatte ich wieder diese Beklemmungen und tiefen Gefühle der Traurigkeit. Ich merke also, dass da nach und nach immer noch wieder etwas kommt und wenn ich Deinen Beitrag so lese, macht es mir einen ähnlichen Eindruck.


Das sind erst mal so meine Gedanken dazu.

Liebe Grüße Melanie

_________________
Auch ein langer Weg beginnt mit einem ersten Schritt...


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 Betreff des Beitrags: Re: Falsche Erinnerung oder Tatsache?
BeitragVerfasst: 04.04.2018, 17:54 
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Registriert: 18.04.2014, 21:16
Beiträge: 309
Hallo CanisLupus,

gerne möchte ich versuchen, dir auf deine Nachricht zu antworten. Vielleicht ist es ja etwas hilfreich für dich..

Die Wahrscheinlichkeit, dass es eine falsche Erinnerung ist, ist glaube ich ziemlich gering. Nachdem was ich bisher gelernt habe, ist es wohl, wenn überhaupt, in den seltensten Fällen "Einbildung". ...Dass es unvollständig/ nebulös ist, ist (soweit ich es halt einschätzen kann) eher möglicherweise ein Zeichen dafür, dass eben wirklich etwas sehr schlimmes passierte. Das geht einigen Betroffenen so, dass Erinnerungen nicht / nicht vollständig / nicht jederzeit zugänglich sind..

Diese Ungewissheit, ob etwas bzw. mehr passiert ist oder nicht, kann zusätzlich belasten - das kann ich und können sicher auch andere ebenfalls gut nachvollziehen.

Ich hoffe, dass dein Therapeut auch offen ist für die Möglichkeit, dass wirklich was passiert ist. Und dass er bereit ist, dich da zu unterstützen, so wie du persönlich es brauchst.
Kannst du mit dem Therapeuten gut reden und fühlst du dich dort wohl, nicht in irgendeine Richtung gedrängt?
Wenn ja, dann wäre es evtl. gut, es nochmal anzusprechen, wenn es dich so beschäftigt.
Wichtig ist, dass du die Schritte in deinem eigenen Tempo tust.. Wenn du die Anspielung auf Wölfe verstehst und erlaubst: auch wenn es nicht immer so wie im geschnürten Trab geht ;)

Viele Grüße
collieeeeechen


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 Betreff des Beitrags: Re: Falsche Erinnerung oder Tatsache?
BeitragVerfasst: 04.04.2018, 18:29 
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Registriert: 08.12.2013, 12:31
Beiträge: 1512
Da ich eher logisch denke:

Was macht ein Kind im Schlafzimmer "fremder" Erwachsener?
Nichts.

Wäre es wirklich harmlos gewesen, könntest du dich vermutlich erinnern, ohne dass vieles im Nebel verschwindet.

Wenn du es dir einbilden würdest: wie sonst kämst du auf die Idee? Warum solltest du dir Gedanken machen um Schlafzimmer "fremder" Erwachsener.

Falls du auf Mitleid aus wärest: was wäre sonst schief gelaufen, damit du es "nötig" hättest? Welche Form von Vernachlässigung etc. würden dich dazu treiben?

Deine Fragen und Unsicherheiten kenne ich nur zu gut.
Auch das mehr empfinden mancher "Opfergruppen". Ich respektiere und fühle mit bei allen Mädchen, die von Mä***rn. Es geht mir jedoch auf eine andere tiefere, Gänsehauterzeugendere Art nahe, wenn es Täterinnen waren.


Wie fühlst du dich beim Therapeuten?
Das "das bildest du dir sicher nur ein" habe ich häufig gehört. Von der Täterin, emotionalen Tätern (die von sich ablenken wollten). Auch von Therapeutinnen, die nicht damit umgehen konnten oder wollten. Um selbst nicht zuzugeben, dass sie selbst nicht damit klar kommen, gaben sie mir die Antwort, dass ich es mir nur einbilden würde. Auch schon mit der Begründung: sie können oder wollen es sich nicht vorstellen.

Hilft dir der Therapeut weiter oder hast du nur das Gefühl es versucht zu haben?

_________________
Reden ist Silber, Schweigen ist Gold... und wer bezahlt (dafür)?


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 Betreff des Beitrags: Re: Falsche Erinnerung oder Tatsache?
BeitragVerfasst: 05.04.2018, 17:02 
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Registriert: 10.03.2014, 22:06
Beiträge: 15
Hallo,

ich habe auch immer wieder Zweifel. Allerdings war ich es, der die Idee geäußert hat, dass es ja auch Verfälschungen gibt. Zum einen, weil ich teilweise Reihenfolgen nicht klar zusammen bekomme. Zum anderen war es auch lange meine Abwehr: ich habe mir eingeredet, alles sei nur Phantasie und hatte sogar ein schlechtes Gewississen, weil meine Gedanken jemandem so etwas zuschreiben, der wichtig für mich war und auch gutes für mich getan hat. Als ich die ersten Male mit anderen darüber geredet habe, war ich überfordert, weil sie eben nicht überrascht waren, sondern Details und Fakten ergänzen konnten... Was ich sagen will: Das Gedächtnis funktioniert da etwas anders als sonst. Meine Therapeutin sagt immer, sie könne zur Wahrheitsfindung nicht viel beitragen. Aber sie interessiert sich dafür, welche Bedeutung die Gefühle für mich haben, denn die sind in jedem Fall real.


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