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 Betreff des Beitrags: Forenhaftung
BeitragVerfasst: 29.04.2008, 20:45 
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Wenn ein Webseiten-Beitreiber in Deutschland vorm falschen Gericht landet, haftet er für Schimpftiraden Unbekannter auf seiner Seite - egal, ob er sie übersehen oder sofort gelöscht hat. Veröffentlichung genügt. Deutschland ist ein Risikogebiet fürs Web 2.0.

Martin Geuß ist sich seiner Sache sicher: Er kann als Inhaber einer Internet-Seite ja wohl nicht dafür haftbar gemacht werden, wenn dort irgendein Unbekannter über eine Firma schimpft. Wenn zum Beispiel jemand schreibt, die "Luftrettungs-Service-Vermittlungs GmbH" sei eine "Betrügerfirma", eine "Hubschrauber-Mafia", die angeblich schon einmal jemand verklagt habe.

Soll Geuß denn alle Kommentare in den Foren seiner privaten Seite vorab lesen, prüfen und gegebenenfalls löschen? Wer Unsinn schreibt, ist doch selbst dafür verantwortlich. Das sagt einem der gesunde Menschenverstand.

Das sagt aber nicht das Landgericht Hamburg. In einem aufsehenerregenden Urteil stellt es Ende April fest: Martin Geuß haftet für die unwahre Tatsachenbehauptung, die Luftrettungs-Firma sei schon mal verklagt worden. Er haftet, auch wenn er keine Kenntnis von dieser Äußerung hatte. Er haftet, auch wenn er sich diese Äußerung nicht zu eigen macht. Er haftet, weil irgendjemand diesen Unsinn auf seiner Internet-Seite hinterlassen hat. Störerhaftung heißt das – der deutsche Begriff lässt allen Mitmach-Portalen den Angstschweiß ausbrechen.

Mitmach-Portale: in Deutschland riskant

Denn dieses Urteil stellt die Funktionsweise sämtlicher Web-2.0-Angebote in Frage: Wo immer Nutzer Inhalte einstellen, muss der Plattformbetreiber Klagen befürchten. Störer kann nach deutscher Rechtssprechung jeder sein.

Jörg Heidrich, Justiziar des Heise-Verlags (verlegt Computer-Fachmagazine wie die 'ct, betreibt ein Forum mit etwa 200.000 neuen Kommentare pro Monat) beschreibt das Ausmaß gegenüber SPIEGEL ONLINE: "Dies gilt nicht nur für Foren und Blogs mit Kommentarfunktion oder die Wikipedia. Betroffen ist vielmehr der gesamte Bereich des sogenannten Web 2.0."

Klagen können teuer werden

Diese Einschätzung teilen viele Web-2.0-Unternehmen. Stefan Glänzer, Aufsichtsratsvorsitzender des Musikdienstes Last.fm sagt zu SPIEGEL ONLINE: "Es gibt nur wenige Länder mit so strikter Forenhaftung. Unter den großen Industrienationen liegt Deutschland vorne." Entsprechende Urteile können für betroffene Unternehmen zu einem finanziellen Problem werden. Heise-Justiziar Heidrich skizziert die Folgen bei einer Niederlage vor Gericht: "Bei rechtswidrigen Foreninhalten kann das Unternehmen sich leicht mit fünfstelligen Beträgen konfrontiert sehen."

Teuer kann es auch werden, wenn ein Forenbetreiber eine Unterlassungserklärung abgibt, sich damit verpflichtet, dass die beanstandeten Inhalte nicht noch einmal auf seinen Seiten auftauchen. Wenn dann ein Nutzer doch wieder derartiges postet, ist die Vertragsstrafe fällig. Aktueller Fall: Die TV-Produktionsfirma Callactive (verantwortlich für Gewinnspiel-Sendungen wie "Money Express" für Viva und andere Sender) verklagt den Betreiber des Internet-Forums "Call-in-TV.de" auf 20.693,70 Euro Vertragsstrafe, weil dort wieder jemand behauptet hat, es habe Scheinanrufe zwecks Spieleranimierung bei den Spielsendungen der Firma gegeben.

Schuld ist ein Kaugummi-Gesetz

Der Grund für diese Rechtsunsicherheit ist ein schwammig formuliertes Gesetz. Der entsprechende zehnte Paragraph des Telemediengesetzes sagt "Diensteanbieter sind für fremde Informationen, die sie für einen Nutzer speichern, nicht verantwortlich". Der Begriff "Verantwortlichkeit" ist im deutschen Recht allerdings nicht klar definiert - gebräuchlich ist "Haftung". Deshalb können und müssen Gerichte den Gesetzestext interpretieren, wenn jemand auf Unterlassung klagt oder seine Rechte verletzt sieht.

Die Folge: "Richterrecht ist dehnbar. Jeder Fall ist anders und lässt Einfallstore für Haftungsverschärfungen zu", erklärt Sascha Kremer, Anwalt und Lehrbeauftragter für Informationsrecht an der Universität Düsseldorf. Abhilfe würde erst ein neues, klares Gesetz schaffen. Kremer: "Bis dahin gibt es weiterhin eine Einzelfalljustiz, die ein erhebliches Nord-Süd-Gefälle aufweist."

Die Folge: Eine Prozess-Lotterie

Tatsächlich entscheidet das Landgericht Hamburg häufig zu ungunsten von Forenbetreibern. Diesen Spielraum hat der Bundesgerichtshof mit seiner Grundsatzentscheidung geschaffen, Forenanbieter könnten für Äußerungen Dritter haftbar gemacht werden. Voraussetzung laut BGH: Es muss zumutbar und technisch machbar sein, die Inhalte der Webangebote zu überwachen.

Was machbar ist, legt zum Beispiel das Landgericht Hamburg sehr großzügig aus. Bestes Beispiel ist das sogenannte Heise-Urteil. Dabei ging es um einen Kommentar im Forum des IT-Verlags. Heise-Justiziar Heidrich: "So sagt etwa das Landgericht Hamburg, es sei dem Heise Verlag zumutbar, ein Forum mit 200.000 Einträgen im Monat zu überwachen."

Quelle: http://www.spiegel.de/netzwelt/web/0,15 ... 06,00.html

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