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 Betreff des Beitrags: Schädliche Psychotherapie: Systematische Opferbeschuldigung
BeitragVerfasst: 23.03.2011, 22:36 
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Klaus Schlagmann, Psychotherapeut aus Saarbrücken
(Es ist mir ein Bedürfnis, mit meiner tatsächlichen Identität hier Stellung zu beziehen.)


Hallo,

ich möchte aus aktuellem Anlass (Veranstaltung im April) auf ein Thema hinweisen, das mich als Insider der Zunft seit vielen Jahren beschäftigt: Die quasi psychotherapeutisch abgesegnete Entschuldigung für Kinderschänder durch die Behauptung: Die Opfer sind selbst schuld!

Es ist schon eine Weile her (1997), da beklatschten auf einer der renommiertesten Psychotherapiefortbildungen im deutschsprachigen Raum, den Lindauer Psychotherapiewochen“ (LPTW) ca. 1000 Fachleute folgende Weisheit: Eine Grundschülerin (unkonkret: „im Alter unter 10 Jahren“) erlebe den sexuellen Missbrauch durch ihren Vater „in typischer Weise … als einen sexuell erregenden Triumph über ihre Mutter“; sie müsse „ihre Schuld tolerieren“. Die (angeblich berechtigten) Schuldgefühle erklärten die Depression, die das Opfer als Erwachsene entwickelt hatte.

Dies sagte damals Prof. Otto F. Kernberg; er gilt als einer der berühmtesten Psychoanalytiker der Welt. (Nach seinem Vortrag wurde er für eine 4-jährige Amtsperiode zum Präsidenten der "Internationalen Psychoanalytischen Vereinigung", IPA, gewählt.) Sein ca. 80-minütige Vortrag enthält eine Fülle weiterer Ungeheuerlichkeiten. Ein offizieller Audio-Mitschnitt ist bis heute erhältlich über „Auditorium Netzwerk“. Der Vortrag wurde 1999 in einer Fachzeitschrift veröffentlicht. (Kernberg ist Mitherausgeber der Zeitschrift.)

Seit ich den Artikel im Jahr 2000 erstmals gelesen hatte, habe ich Jahr für Jahr in nun insgesamt über 2000 Briefen und Mails an Fachkollegen (z.B. zu jeweiligen markanten Auftritten Kernbergs) auf diese Thesen aufmerksam gemacht. Sofern die diversen Professoren, Doktoren und Akademiker überhaupt geantwortet haben, wurde ich selbst oft pathologisiert bzw. beschimpft.

Hintergrund dieser bizarren Blindheit: Die Opferbeschuldigung – gerade bei sexuellem Missbrauch – wurde von Sigmund Freud dogmatisch in der Theorie der Psychotherapie verankert (Stichwort „Ödipuskomplex“) und wird deshalb seit über 100 Jahren zäh verteidigt.

In meiner eigenen Praxis haben sich Menschen vorgestellt, denen es nach einer solchen Opferbeschuldigung in einer vorangegangenen „Therapie“ schlechter ging als zuvor.

Publikationsversuche meinerseits scheiterten z.T. an den „Gutachtern“ der Zeitschrift. Drei veröffentlichte Beiträge (in: psychoneuro 2007, Integrative Therapie 2008, Psychodynamische Psychotherapie 2009) blieben praktisch ohne jede Resonanz der Fachkollegen. (Den Text der Beiträge stelle ich gerne zur Verfügung.)

Mehrfach hatte ich die Organisatoren bzw. die „wissenschaftliche Leitung“ der Lindauer Psychotherapiewochen auf Kernbergs „Lindauer Thesen“ angesprochen (seit Jahren: Prof. Verena Kast, Prof. Manfred Cierpka, dieses Jahr erstmals Prof. Peter Henningsen): Keinerlei Resonanz.
(In diesem Jahr sind meine drei Schreiben seit dem 20. Februar ohne Antwort.)

Von den sonstigen (ca. 200) Referenten dieses Jahres, die ich angeschrieben hatte, habe ich 21 Rückmeldungen erhalten, davon haben sich 16 zustimmend zu meiner Kritik geäußert; drei Antworten fallen mehr oder weniger schroff abweisend aus.

Bis 2008 saß Kernberg im „wissenschaftlichen Beirat“ der "Lindauer Psychotherapiewochen". Nach Einbeziehung von Stadträten und der Bürgermeisterin von Lindau in meine Kampagne wird Kernberg seit 2009 nun nicht mehr im „wissenschaftlichen Beirat“ geführt!

Bei den diesjährigen Lindauer Therapiewochen ist Kernberg jedoch erneut zu Gast. Er wird in der Woche vom 18. bis zum 22. April im Lindauer Stadttheater (ca. 800 Plätze) eine tägliche zentrale Morgenvorlesung halten (zum Thema „Liebe und Hass“).

Noch im Jahr 2010 wurden die Lindauer Psychotherapiewochen zu ihrem 60-jährigen Jubiläum mit ihrer Geschichte konfrontiert. Der Historiker Dr. Phillip Mettauer hatte im Auftrag der Organisatoren der Therapiewochen entsprechende Recherchen angestellt und zu einem Vortrag aufbereitet. Dabei kam, zu Tage, dass die medizinischen Gründerväter (Ernst Speer, Ernst Kretschmer, Berthold Kihn, Gustav Richard Heyer, Johannes Heinrich Schultz) einen engen Bezug zur Ideologie des Nationalsozialismus aufwiesen. Zu Kretschmer heißt es bei Mettauer (2010, S. 6): „1955 attestierte er als Gutachter in einem ‚Wiedergutmachungsverfahren’ eines an Depressionen leidenden Verfolgten des NS-Regimes, dass es keine verfolgungsbedingten Neurosen gäbe, da die ‚Ausgleichsfähigkeit des Organismus bei schweren psychischen Traumen’ unbegrenzt sei.“

Ganz ähnlich klingen die Thesen, die Otto F. Kernberg noch 42 Jahre nach Kretschmer in Lindau verkündet: Erfahrungen von KZ, Folter oder Vergewaltigung würden an sich nur psychische Belastungen hervorrufen, die 2-3 Jahre anhielten (Kernberg, 1999, S. 6). Danach würde sich die Symptomatik – nach Kernbergs Ansicht – bei gesunden Menschen quasi ganz von allein wieder auflösen. Wenn es zu länger anhaltenden Störungen komme, dann müssten diese eine andere Ursache haben: Sie hätten sich im Säuglingsalter aus „oraler Gier“ und „oralem Neid“ entwickelt.

Konkret heißt das im Fall eines Mannes, der sich seiner Familie gegenüber anhaltend aggressiv verhalten habe: Er habe seine „chronische Aggression“ an der Mutterbrust entwickelt. Dass er als 12jähriger Junge aus einem KZ befreit worden war, in dem man seine ganze Familie vor seinen Augen ermordet hatte (Kernberg, 1999, S. 9), das kommt für die Erklärung seiner Verhaltensstörung für Kernberg nicht in Betracht!

Kernbergs Sichtweise mutet insofern ein wenig makaber an, als er selbst jüdischer Herkunft ist und als Kind mit seinen Eltern vor den Nationalsozialisten aus Wien geflohen war.

Im letzten Jahr haben sich Kirchen und Reformpädagogik in Deutschland der schmerzhaften Diskussion über den sexuellen Missbrauch in den eigenen Reihen gestellt. Nun ist es m.E. an der Zeit, dass sich auch die Psychotherapeutenschaft mit den Sünden ihrer Vergangenheit ernsthaft konfrontiert!

Die Zunft der Psychotherapeuten, die bei ihrer Klientel so gerne ein „Erinnern“ und „Durcharbeiten“ anmahnt, versagt offenbar, wenn es sie selbst betrifft!

Meine Forderung an die Organisatoren der Lindauer Therapiewochen (auch vermittelt an den dortigen Stadtrat und die Bürgermeisterin): Entweder widerruft Kernberg seine „Lindauer Thesen“, oder er wird nicht einmal mehr als Referent in Lindau zugelassen! (Darüber hinaus würde ich im nächsten Jahr gerne bei diesen Therapiewochen als Referent zu Kernbergs Thesen zugelassen. Auch diese wiederholte Anfrage wurde mir nie beantwortet.)

Nachdem ich mehr als 11 Jahre lang - vergeblich - versucht habe, innerhalb des Kreises meiner Fachkolleginnen und - kollegen eine engagierte Diskussion über Kernbergs unmenschliche Thesen anzuzetteln (die lange Liste meiner bizarren Erfahrungen dieser Jahre lasse ich gerne allen Interessierten zukommen), suche ich nun verstärkt die Öffentlichkeit. Auf meiner Webseite (http://www.oedipus-online.de - Stichwort: Kernberg) ist u.a. der Gesamttext von Kernbergs Artikel nachzulesen. Es würde mich freuen, wenn sich auch andere Menschen über diese Thesen empören. (Meiner Erfahrung nach tun sich Menschen, die nicht durch ein Psychologiestudium "verbildet" sind, leichter damit, den Irrsinn dieser Thesen als solchen zu erkennen.)

Ein Protest könnte sich richten an die Organisatoren und die "wissenschaftliche Leitung" der Lindauer Psychotherapiewochen, oder auch an die Bürgermeisterin von Lindau. (Von dort habe ich bislang auch keinerlei Reaktion erhalten; nach einer Email und zwei telefonischen Anfragen hieß es zwar, ich würde zurückgerufen - das ist aber seit über einer Woche nicht geschehen.)

Für Rückfragen bin ich jederzeit offen.

Klaus Schlagmann


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BeitragVerfasst: 23.03.2011, 22:57 
es freut mich ungeheuer, dass ein psychotherapeut sich derart vehement gegen die thesen eines herrn kernberg wehrt.

meine tochter ist ohne jede vorbereitung in die hände eines solchen analytikers geraten, der ihr die schuld an dem fortgesetzten missbrauch gegeben hat. "sie habe doch wohl auch so etwas wie lust empfunden, sonst hätte es nicht zu wiederholtem mb kommen können....sie bevorzuge wohl harte sexuelle praktiken..... ihre ptbs sei gar keine, sondern eine borderline-störung, sonst hätte sie sich nicht fortgesetzt durch diesen motivationstrainer als 13-jährige missbrauchen lassen...usw" kein arzt vorher und auch keiner danach konnte bei ihr eine solche persönlichkeitsstörung feststellen.

dieser "arzt" ist chef einer großen rehaeinrichtung. er hat zu verantworten, dass meine tochter in einem erbärmlichen zustand aus einer reha zurück kam. ich habe mich bei der krankenkasse beschwert, bei der psychotherapeutenkammer usw. das ergebnis war lediglich, dass immer wieder geäußert wurde, dass ich völlig krankheitsuneinsichtig bezüglich der sehr ernsten erkrankung meiner tochter sei und mir dringend therapeutische unterstützung holen solle. als laie sei ich nicht in der lage psychotherapie zu beurteilen, geschweige denn, diese zu verurteilen.

ich sehe als "simple mutter" ohne therapeutische ausbildung leider keine möglichkeit ihre bemühungen zu unterstützen, möchte ihnen jedoch meine anerkennung für ihren einsatz aussprechen. ich wünsche ihnen, ihren gleichsinnten kollegen und meiner tochter und allen anderen opfern von sexuellem missbrauch, dass ihre bemühungen die thesen des herrn kernberg ad absurdum zu führen, möglichst schnell von erfolg gekrönt sein werden.

hexchen


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BeitragVerfasst: 23.03.2011, 23:08 
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*************achtung, viell. trigger*****************


Hallo!

Ich kenne eine solche Einstellung aus eigener Erfahrung - mir wurde in der Therapie gesagt, dass, was ich - mangels anderer Worte, es war schon schwer genug, es so auszudrücken - als ungewollten Sex bezeichnet habe sei "eigentlich ja doch gewollt gewesen......" usw. Bis dahin war ich meist zufrieden mit dem tiefenpsychologischen Ansatz. Ich habe die Therapie abgebrochen nach ein paar weiteren Stunden, ein halbes Jahr später noch ein Abschlussgespräch geführt. Es war keinerlei Einsicht zu vermitteln, es war mir auch nicht möglich, darüber zu reden, wie ich die Sache sehe - alle Hinweise von mir darauf wurden konsequent ignoriert. Und, mal ehrlich, wenn man sich wegen einer solchen Geschichte in Therapie begibt kann es nun mal sein, dass man manche Dinge nicht aussprechen kann und auf Unterstützung angewiesen ist. Deshalb ist man ja da!

Hätte ich vor Ablauf von 2 Jahren wieder eine Therapie anfangen wollen wäre das wohl mit größeren Schwierigkeiten verbunden gewesen. Da ich aber lange nach einem Therapeuten gesucht habe vorher und seitdem keine neue Therapeutin gefunden habe (ja, jetzt werde ich zu einer Frau gehen und hoffen, dass das besser läuft) stellte sich das Problem nicht........

Ergebnis: Ich habe keinen Therapieplatz und sehe zu, wie ich zurecht komme.


Ich wünsche Ihnen für ihr Anliegen, andere Therapeuten wachzurütteln und diesen Aspekt hoffentlich bereits in der Ausbildung zu verändern gutes Gelingen.


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BeitragVerfasst: 23.03.2011, 23:13 
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Hallo hexchen,

ich würde sehr gerne den Namen dieses "Arztes" erfahren, auch einfach um ein wenig dazu recherchieren zu können (Email: KlausSchlagmann@aol.com)! Solchen Pfuschern muss das Handwerk gelegt werden! Es wird Zeit, dass sich die Presse einmal für solche Vorgänge interessiert!

Es macht mich wirklich wütend, wenn sich die superschlauen Fachleute bei Diskussionen im Fernsehen mit betroffener Miene zum Thema äußern - und man kann so gut wie sicher sein: Wenn sie gefragt würden, was sie von Kernbergs Thesen halten: Es gäbe kaum jemanden, der diesem Irrsinn offen widersprechen würde. Dann würde es heißen: Das muss man differenzierter sehen! Kernberg meint das ja ganz anders! Er spricht ja von unbewussten Vorgängen! U.s.w., u.s.f.


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BeitragVerfasst: 23.03.2011, 23:25 
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Hallo Charly,

auch für dich (und für alle, die sich hiervon angesprochen fühlen): Es würde mich interessieren, den Namen der entsprechenden Pfuscher zu erfahren. Und vielleicht ließe sich ja mit einer kleinen Sammlung solcher Beispiele einmal in der Öffentlichkeit ein wenig mehr auf die Situation aufmerksam machen.

Übrigens: Im ersten Zwischenbericht des "runden Tisches" hieß es noch, dass sich diejenigen, die sich professionelle Hilfe gesucht hatten, oft unzufrieden waren mit dem Angebot. Im Abschlussbericht ist davon nichts mehr zu lesen.

Und noch etwas: Auch die 62 Mitglieder des runden Tisches hatte ich auf Kernbergs Opferbeschuldigungskonzept angeschrieben. Die Resonanz war ziemlich spärlich. Nur von einer Stelle bekam ich ein tolles Schreiben, so dass ich dachte, dort hätte man mein Anliegen wirklich verstanden. Ich bat dann darum, zwei allgemeine Sätze in meinem aktuellen Engagement gegen Kernbergs erneutes Auftreten in Lindau namentlich zitieren zu dürfen. Wurde abgelehnt. Also: Große Worte - nichts dahinter. Da wäre mir ja lieber gewesen, die betreffende Person hätte sich erst gar nicht als so wahnsinnig verständnisvoll ausgegeben!


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BeitragVerfasst: 23.03.2011, 23:46 
hallo klaus,

was hast du denn erwartet? kernberg zu verurteilen hieße ja das leid der opfer tatsächlich ernstnehmen, MIT ihnen, statt ÜBER sie zu sprechen und das gehörte auch noch zu verinnerlichen, darüber nachzudenken. das könnte belastend sein und das wollen wir den am runden tisch agierenden funktionären doch nun wirklich nicht zumuten. darüber hinaus müssten fachleute sich in frage stellen und das gehört nun wirklich bei den wenigsten zur alltäglichen praxis...

ein gerade mal wieder durch den kampf mit behörden und krankenkasse ziemlich frustriertes hexchen


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BeitragVerfasst: 24.03.2011, 00:08 
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tja, leider muss ich mich denen, die nichts tun anschließen. etwas sagen hieße, publik machen. das kann ich mir im moment in vieler hinsicht leider nicht leisten...... tut mir leid. einfach nur nen namen in den raum zu stellen würde wohl nicht viel bringen......


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BeitragVerfasst: 24.03.2011, 21:00 
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hallo herr schlagmann

ihr bericht macht mich sehr betroffen, zumal ich selber relativ am anfang dieser thematik stehe, seit anfang diesen jahres stelle ich mich meiner vergangenheit im bezug auf den smb

seit 1998 in ambulanter behandlung, kurzzeit wegen angstzuständen ... ab 2oo3 auch den stationären weg wegen schweren depressionen, alkoholmissbrauch und su *d ... seitdem immer wieder stationär gewesen weil ich weder das eine noch das andere bis 2oo7 in den griff bekommen habe, mit depressionen kämpfe ich bis heute

in psychologisch/ psychiatrischer hinsicht habe ich das pferd von hinten aufgezäumt als vieles schon zu spät war, aber ich möchte dennoch hier auch meine erfahrung einbringen das ich bisher überwiegend nur positive erfahrungen mit klinik / therapeuten gemacht habe ... seit ca. 2oo8 bin ich in ambulanter langzeit vt, die vertrauensbasis ist sehr gewachsen

ich denke das es wichtig ist sich darauf einlassen zu können, es ist schon schwer genug vertrauen zu können, aber vielleicht hatte ich auch großes glück gehabt an die richtige/n zu geraten

ihnen danke ich für ihr engagement, für die aufklärung und ihren unermüdlichen kampf ... grade für die betroffenen, nur glaube ich, das es für einen betroffenen sehr schwer sein könnte auch noch die stärke aufzubringen den therapeuten hinterfragen zu können ... ich könnte es zugegeben nicht

mit freundlichen grüßen

streunerin

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... wir müssen damit leben lernen


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BeitragVerfasst: 26.03.2011, 16:12 
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Hallo Streunerin,

es ist sicherlich möglich, gute und sehr gute Erfahrungen in der Therapie zu vermitteln! (Sonst würde ich selbst ja nicht diesen Beruf ausüben.) Und wenn jemand doch wirklich spürbares Vertrauen entwickelt, dann läuft es doch wohl wunderbar!

Mein Anliegen ist nur, darauf aufmerksam zu machen, dass nicht überall da, wo "Hilfe" draufsteht, auch "Hilfe" drin ist!

Die Psychoanalyse nach Freud hat traditionell ein Schema der Opferbeschuldigung entwickelt, speziell auch bei sexualisierter Gewalt gegen Minderjährige. Das fängt an mit Freuds erster größeren Fallstudie ('Dora' = "Bruchstück einer Hysterieanalyse").

Der 27-jährige Herr Z. presst die 13-jährige 'Dora' (= Ida Bauer) in seinem ansonsten menschenleeren Büro an sich und küsst sie – gegen ihren Willen – auf den Mund. Obendrein spüre sie - so Freud - „das Andrängen des erigierten Gliedes gegen ihren Leib“. Sie ekelt sich, reißt sich los und rennt weg. Dies beweise (nach Freud), dass das Mädchen in dieser Situation bereits „ganz und voll hysterisch“ sei (3, S.30 f): „Anstatt der Genitalsensation, die bei einem gesunden Mädchen unter solchen Umständen gewiß nicht gefehlt hätte, stellt sich bei ihr … der Ekel [ein]“. Freud: „Ich kenne zufällig Herrn Z.; … ein noch jugendlicher Mann von einnehmendem Äußern“. Zwei Jahre später quittiert Ida Bauer einen „Liebesantrag“ dieses (verheirateten) Herrn mit einer Ohrfeige. Freud analysiert (3, S.94): „Dass sie von dem Vorfalle ihre Eltern in Kenntnis gesetzt, legte ich als eine Handlung aus, die bereits unter dem Einflusse krankhafter Rachsucht stand. Ein normales Mädchen wird, so sollte ich meinen, allein mit solchen Angelegenheiten fertig.“

Sigmund Freud erkennt also „gesunde“ und „normale“ Jugendliche daran, dass sie bei erotischen Zudringlichkeiten von Erwachsenen still halten, ihre sexuelle Erregung genießen und ihren Eltern gegenüber dies alles verschweigen.

Dieser Unsinn wird noch 100 Jahre später (2005) als Weisheit gefeiert. Er gehört zur Grundlage psychoanalytischen "Wissens". Deshalb warne ich speziell vor der Psychoanalyse (nach Freud).

Es macht mich da oft sauer, wenn in den Medien die Psychoanalyse so hochgejubelt wird. Dabei ist der Irrsinn dieser Theorie wirklich gut nachzulesen, nicht zuletzt bei Otto F. Kernberg. Aber die Fossile der Psychoanalyse bekommen immer wieder (so z.B. Mitscherlich und Leutzinger-Bohleber bei Scobel/3Sat zur sendung "In Treatment") immer wieder eine Plattform bereitet, wo sie dem Publikum kräftig ihren Sand in die Augen streuen können. Und das muss doch bei Betroffenen für gehörige Irritation sorgen, oder nicht? Man geht zu einer Zunft, die in den Medien immer wieder gefeiert wird. Und dann bekommt man eventuell dort Sachen an den Kopf geschmissen, die einem selbst "Schuld" attestieren. Das kann doch total verwirren - wenn man sie ernst nimmt.

Danke für das Lob meines "unermüdlichen Kampfes". So ganz "unermüdlich" ist er allerdings nicht. Manchmal bin ich schon ganz schön erschöpft. Vor allem, weil es echt schwer ist, eine kritische Diskussion in die Öffentlichkeit zu bringen. Da werden dann zwar auch am "runden Tisch" Feiertagsreden gehalten, aber mein Anschreiben (in Bezug auf Kernberg und seine Thesen) an sämtliche Mitglieder dort (62) in 2010 hatte - außer einer schönklingenden Antwort, die aber nicht weiter zitiert werden wollte - nicht viel gebracht. Also: Große Worte - nichts dahinter.

Übrigens hieß es noch im ersten Zwischenbericht des "runden Tisches", dass die Opfer sich oft unzufrieden mit der Therapie gezeigt hatten. Eine nähere Untersuchung dazu gab es nicht. In der zweiten Fasung taucht dieser Passus nicht mehr auf. Er stört vermutlich den Gesamteindruck der Erfolgsbilanz. Es geht ja darum, das Stimmvieh zu beeindrucken.


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BeitragVerfasst: 26.03.2011, 17:54 
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Hallo Herr Schlagmann,
nochmals danke für die Bestätigung vieler auch unserer Erfahrungen !


Gruß
A.


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BeitragVerfasst: 26.03.2011, 21:01 
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hallo herr schlagmann

je mehr ich über ihre gedanken, und das feedback dazu nachdenke ... desto stärker wird mein gefühl das in dieser richtung ein unglaublich hoher aufklärungsbedarf für betroffene notwendig ist

es kann ja wirklich nicht angehen das thesen in so einer form weiter vertreten werden, das ist ja ein zusätzlicher schlag ins gesicht

grad wenn mir selber meine einzelnen persönlichkeiten noch nicht wirklich klar sind, ich mit mir selber unsicher bin ...dann ist das ein sehr dicker brocken dann noch mit dieser, salopp gesagt ... "dir gefällt es doch auch" nummer konfrontiert zu werden, oder ... was mich persönlich am meisten erschüttert, das meine abwehr nicht normal wäre ... äh, hallo ?

es erinnert mich ein wenig an die klassische alkohol"behandlung" ... hätte ich mich darauf eingelassen würde ich heute noch trinken

ich bin, wie gesagt, noch nicht lange am thema smb dran ... habe auch eine mir gegebene art meinen weg zu finden um damit umzugehen ... bin dazu auch durch eine schwere neurologische erkrankung im bewältigen von unabänderlichen wohl etwas kriesenfester geworden

meine frage: was könnte getan werden um betroffenen einen wegweiser mitgeben zu können worauf bei der suche nach dem geeigneten therapeuten/ therapeutin geachtet werden sollte ?

wir alle wissen wie schwer es ist überhaupt jemanden zu finden dem man sich ganz anvertrauen kann, aber mit einigen eckpunkten kann vielleicht im vorfeld erkannt werden ob nach freud´chen theorien gearbeitet wird ?

nur ein gedanke

mit lieben grüßen

streunerin

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BeitragVerfasst: 13.04.2011, 19:56 
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Hallo,

ich gehöre zwar auch zur "geschmähten" Zunft der Psychoanalytiker, möchte aber doch etwas zu dieser Angelegenheit sagen, zumal ich selbst sexuell misshandelte Kinder und Jugendliche behandele. Über meine Haltung, sowohl die menschliche als auch die fachliche und meine Arbeit kann sich, wer mag, ja gern auf meiner HP informieren: www.kj-psychotherapie-saloga.de

Bei aller angebrachten Kritik gegenüber der Psychoanalyse (PA) und den Psychoanalytikern finde ich es immer problematisch (und das gilt für jede Fachrichtung jedes Berufes), wenn Laien über etwas urteilen, dass man erst nach langjährigem Studium und Berufserfahrung richtig begreifen und ausüben kann. Dabei birgt das Herausnehmen einzelner Passagen, ohne den beabsichtigten Sinnzusammenhang zu erläutern, eine zusätzliche Gefahr. - Wohlgemerkt: das gilt nach meiner Meinung grundsätzlich, nicht nur für die PA.

Ich selbst praktiziere Psychoanalyse seit 26 Jahren, seit 7 Jahren auch als Dozent. Ich kann die Feststellung, die PA habe ein System der Opferbeschuldigung entwickelt nicht wirklich nachvollziehen, zudem ist hier immer wieder von den FREUDschen Thesen die Rede - aber bitte: die PA hat sich wesentlich weiter entwickelt und das, was Freud geschrieben hat, ist in vielen Teilen mitlerweile revidiert oder modifiziert worden. Freud ist natürlich (wie wir alle) ein Kind seiner Zeit, entsprechend sind seine Darstellungen. Aber wichtig ist doch wohl der Grundgedanke des psychischen Apparates und dass man ihm in schwierigen Lebensabschnitten helfen kann.

PA ist wie jede Wissenschaft nicht vollkommen, unterliegt dem Wandel der Zeit und sicher auch heute noch verbesserungsfähig und kritisierbar. Verdammnis und "Hexenjagd" aber helfen niemand, am wenigsten unseren Patienten. Und sie erreichen meist auch die Adressaten nicht.


Hans Saloga

_________________
"Es gibt keine großen Entdeckungen oder Fortschritte,
solange es noch ein unglückliches Kind auf der Welt gibt." (A. Einstein)


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BeitragVerfasst: 14.04.2011, 10:43 
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Beiträge: 2214
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Ach, der Hans......! :)
Schön, mal wieder was von Dir zu lesen!
Diskussionen über dieses Thema hatten wir ja schon öfter mal .... :wink:

Ja, sicher hat sich auch die PA weiterentwickelt.
Nur ... einige Analytiker nicht! :roll:

Wir waren ja lange genug mit einem Analytiker verheiratet, und mussten uns u.a. lange genug solche "alten" Argumente anhören!
Es gipfelte schließlich darin, dass wir ihm im letzten Jahr unsere Diagnose "verraten" haben. Mit dem Ergebnis, dass er zugab, diese F44.81 gar nicht zu kennen. Und überhaupt: die könne ja gar nicht zutreffen, weil er davon nie etwas bemerkt hat.....

Rebecca


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BeitragVerfasst: 14.04.2011, 13:59 
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Registriert: 12.04.2011, 11:39
Beiträge: 52
Wohnort: NRW
Hans Saloga hat geschrieben:
Bei aller angebrachten Kritik gegenüber der Psychoanalyse (PA) und den Psychoanalytikern finde ich es immer problematisch (und das gilt für jede Fachrichtung jedes Berufes), wenn Laien über etwas urteilen, dass man erst nach langjährigem Studium und Berufserfahrung richtig begreifen und ausüben kann.


Lieber Hans Saloga,

wenn ich ehrlich bin empfinde ich diese Haltung als extrem problematisch. Was unsere Gesellschaft und Demokratie zum richtigen funktionieren brauchen sind Bürger, die sich selbstbewusst ein Urteil bilden, erlauben, zutrauen und dazu stehen auch wenn sie den zugehörigen Fachbereich zufällig gerade nicht studiert haben. Das betrifft alle Bereiche des öffentlichen Lebens und der Politik (ein Beispiel: Kernkraft).

Die Alternative sind autoritätshörige Bürger, die nach dem Motto verfahren: "Ich habe zwar kein gutes Gefühl bei der Sache aber die verantwortlichen Politiker und Experten wissen sicher, was besser für mich ist und entscheiden in meinem Sinne."

Wohin eine solche Einstellung führt hat eindrucksvoll das Milgram-Experiment bewiesen, das gerade Ihnen als Psychologe ein Begriff sein dürfte:
http://de.wikipedia.org/wiki/Milgram-Experiment

Und es zeigt sich in jedem Krieg aufs neue, wenn wir fassungslos vor den begangenen Kriegsverbrechen stehen. Gerade die deutsche Geschichte bietet hier ein besonders abschreckendes Beispiel.

Und es mag sogar Fälle geben, in denen ein Mensch mit gesundem Menschenverstand und ohne Studium eher in der Lage zu einer menschlich-ausgewogenen Einschätzung ist, als jemand, der sich mit autoritätshöriger Grundhaltung einem Studium unterzogen hat
und dadurch eine regelrechte Gehirnwäsche durch kritiklos übernomme Lehren der sogenannten "Experten" erfuhr. Solche Fälle findet man problemlos in jeder Diktatur dieser Erde und vielleicht sogar bei uns.

Nicht zuletzt im Zusammenhgang mit sexuellen Missbrauch von Kindern ist offensichtlich, dass Autoritätshörigkeit ein Klima fördert, in dem solche Grausamkeiten gedeihen können. Kinder die erzogen wurden, selbstbewusst ihre Meinung zu sagen und auf ihr Gefühl zu hören, sind eher in der Lage sich eines Missbrauchs zu erwehren, als autoritär eingeschüchterte Kinder.

Was unsere Gesellschaft rettet ist: den Mund aufmachen. Wann immer wir ein schlechtes Gefühl haben und den Entscheidungsträgern, die in vielen Fällen eben nicht unser Wohl sondern nur ihr eigenes im Sinn haben, die Meinung sagen. Und niemandem nur auf Grund einer Position oder womöglich eines erreichten akademischen Titels vertrauen (siehe Guttenberg).

Ein jeder muss erst einmal beweisen, dass er ein GUTER MENSCH ist. Und das ist leider nicht "studierbar". Und die schlechten Menschen findet man leider unter den sogenannten "Autoritäten", den Entscheidungsträgern in Politik und Wirtschaft, genauso häufig wie unter den ganz "normalen" Bürgern. (vielleicht sogar häufiger??)

Viele Grüße,
Raupe

_________________
... irgendwann schlüpft der Schmetterling :)


Zuletzt geändert von Raupe am 14.04.2011, 15:07, insgesamt 1-mal geändert.

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BeitragVerfasst: 14.04.2011, 14:47 
Da ist er wieder.... der Laie, der das Agieren der Fachleute nicht beurteilen kann. Diese Sichtweise verstellt den "Fachleuten" eine enorme Chance, nämlich die Einbeziehung des gesunden Menschenverstands und die unverbaute Sicht auf das, was ist. Bei der Erziehung meiner geistig behinderten Tochter habe ich diese Sichtweise, dass ich als Laie keine Ahnung habe von dem, was gut für meine Tochter, für meine Familie ist, mindestens 1x zu oft gehört. Wenn ich auf die 28 Jahre ihres Lebens schaue bin ich froh, dass ich meine kritische Laiensicht nie verloren habe, nie akzeptiert habe, als kleines Dummchen dazustehen, dem man sagen muss, wies geht. (Prognose der "Fachleute" - erfahrene Professoren pp: dieses Kind wird nie sprechen, nie laufen, nie spielen.....all das kann sie dank ihrer unbändigen Lebensfreude und meiner laienhaften Bemühungen).

Fachmann zu sein bedeutet nicht unbedingt kompetent zu sein - das gilt für alle Berufe. Fachmann bedeutet seine Grenzen zu kennen, sein Tun zu jeder Zeit auch und besonders unter Einbeziehung vonr laienhaften Rückmeldungen jederzeit zu hinterfragen.

Das Ausgangsposting hat nicht alle Analytiker in Grund und Boden verdammt, sondern nur eine Gruppe innerhalb der Gruppe der Analytiker mit einer sehr speziellen Sichtweise. Diese Sichtweise durfte ich mehrfach erleben und sie hat großen Schaden angerichtet. In der Medizin gilt: Primum nil nocere... gilt das auch für Analytiker der Kernbergschen Sichtweise, für Analytiker, die die Weiterentwicklung der Analyse der letzten Jahrzehnte nicht wahr haben wollen? Mir ist aufgefallen, dass der Anteil der sich selbst und die reine Lehre nicht hinterfragenden "Psychodocs" relativ hoch ist.... und ich habe im Lauf meiner Berufstätigkeit viele aus der "Branche" kennengelernt.

Deshalb stehe ich zu meiner Empfehlung an Opfer von SM Psychoanalytiker nur dann in Anspruch zu nehmen, wenn sie sich über die Arbeits- und Sichtweise des jeweiligen Therapeuten sehr genau informiert haben und zwar besonders bei "Laien", die dessen Dienste bereits in Anspruch genommen haben.

hexchen


Zuletzt geändert von hexchen am 14.04.2011, 17:40, insgesamt 1-mal geändert.

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