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 Betreff des Beitrags: Warum?
BeitragVerfasst: 30.09.2011, 11:15 
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Mir ist es wichtig zu verstehen warum Menschen so etwas tun. Und dass es Gründe gibt. Und dass es nicht normal ist. Und dass unsere Gesellschaft gesund werden kann. Und dass so etwas dann nicht mehr passiert.

Es sind ja keine Einzelfälle. Und der Missbrauch ist "nur" die Spitze des Eisbergs. Ein besonders krasses Symptom einer Krankheit, die in unserer Gesellschaft wütet ohne dass sie sich dessen besonders bewusst ist. Eine Krankheit, durch die das dritte Reich erst möglich wurde und die nicht dadurch geheilt wurde, dass dieses Reich unterging. Diese Krankheit ist allerdings nicht auf Deutschland beschränkt, sondern Teil unserer westlichen Kultur.

Ich habe viel Zeit damit verbracht, meinen Täter zu verstehen. Und habe irgendwann begriffen, dass es immer nur um ihn ging. Dass er sich durch Kinder tatsächlich und ernsthaft bedroht fühlt. Dass er Angst vor Ihnen hat. Dass er alles, was er mir angetan hat, sich selber angetan hat. Dass er in mir nur sich selbst bekämpft hat. Dass er sich selbst hasst und für diesen Hass ein Ventil brauchte.

Der Grund dafür ist, dass er Teile seines wahren menschlichen Ich abspalten musste, weil er als Kind sehr schlecht behandelt wurde. Diese Teile bleiben für den Rest seines Lebens bedrohlich und beinhalten die ohnmächtige Angst von damals. Als Kind aktivierte ich in ihm diese Anteile und so ist die Gewalt, die der Erwachsene dem Kind antut eine Art Verteidigung gegen das, was das Kind in ihm aktiviert. Es aktiviert die Angst des Erwachsenen vor sich selber. Vor den Anteilen im Erwachsenen, die abgespalten werden mussten. Und diese Angst führt zu Hass. Und so hassen die Täter diese schwachen ohnmächtigen menschlichen Anteile in sich selbst. Und dieser Hass braucht manchmal ein Ventil. Wir alle wissen, was das bedeutet.

Bitte versteht mich nicht falsch, ich will hier nichts entschuldigen. Aber ich will verstehen. Denn ich bin sicher, dass niemand mit Hass auf die Welt kommt. Aber der Hass wird in die Menschen gepflanzt. Wir haben in den letzten Jahrhunderten eine Kultur der lieblosen Behandlung von Kindern entwickelt, die sich verselbstständigt hat. Wer erstmal so lieblos behandelt wurde, dass er Teile seines empathischen menschlichen Ich abspalten musste, der wird sich schwer tun, auf eigene oder anvertraute Kinder in schwierigen Situationen empathisch zu reagieren. Im besten Fall versteht er den Frust und die Emotionen des Kindes nur nicht. Im schlechtesten Fall kommt es zu massiver (sexueller) Gewalt.

Ich habe gerade begonne, "Der Fremde in uns" von Arno Gruen zu lesen. Besser kann man es nicht beschreiben. Dieser Mann spricht mir aus der Seele. Die Nazi-Zeit ist nicht weit weg. Vieles von dem Gedankengut und den Grundeinstellungen zum Mensch-sein ist bis heute sehr aktiv und führt zu dem, was uns angetan wurde.

Auch wenn wir nie zum Täter würden, können wir durch unsere eigene Heilung einen Beitrag zur Heilung unserer Gesellschaft leisten. In diesem Rahmen bekommt unsere Heilung eine viel größere Bedeutung. Und ich habe verstanden, dass ich die abgespaltenen ängstigenden Teile meiner eigenen empathischen liebevollen Menschlichkeit wieder integrieren muss. Und auf diesem Weg werde ich nicht zweifeln. Auch wenn er schwer ist.

Liebe Grüße,
Raupe.

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... irgendwann schlüpft der Schmetterling :)


Zuletzt geändert von Raupe am 30.09.2011, 13:22, insgesamt 1-mal geändert.

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BeitragVerfasst: 30.09.2011, 11:29 
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hallo
keine splats, trigger
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auch, wenn ich bei einigen gedanken zustimmen kann, ich glaube nicht, dass mb erst seit des dritten reiches zur "blüte" gekommen ist
und zu begrenzen auf westliche kulturen ist er mit sicherheit auch nicht
sicher ist auch faschistisches menschenbild förderlich für mb-strukturen, aber für mich persönlich keine "ursache", eher eine der vielen pseudorechtfertigungen, die sich täter basteln

ich sehe, eher im gegenteil, gerade in den westlichen kulturen ein bestreben nach enttabuisierung, wenn auch sicher noch am anfang

meine frage nach dem warum führte mich nur zu einer antwort, die sich nicht darum dreht, beweggründe zu verstehen oder psychologisch auszuloten, was denn täter zu tätern machte
mir persönlich ist das auch herzlich schnurz, sollen die sich selbst ihren schatten stellen


meine antwort ist und war:
warum? weil sie es tun konnten

für mich wichtig zu verstehen ist:
es ist nicht mir passiert, weil ich eine schuld trage

und, und da kann ich wieder den gedanken zustimmen
jeder einzelne kann mit einem achtsamen, respektvollen, offenen und liebevollen umgang mit anderen prävention leisten

gruß
dieBirmas

edit: ich versteh schon deine beweggründe, kann ich dir auch lassen, das sind nur meine gedanken dazu

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Der Hass auf das Böse hat ein beängstigend gutes Gewissen.
Jacques Wirion


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BeitragVerfasst: 30.09.2011, 11:48 
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Birmas hat geschrieben:
auch, wenn ich bei einigen gedanken zustimmen kann, ich glaube nicht, dass mb erst seit des dritten reiches zur "blüte" gekommen ist
und zu begrenzen auf westliche kulturen ist er mit sicherheit auch nicht
sicher ist auch faschistisches menschenbild förderlich für mb-strukturen, aber für mich persönlich keine "ursache", eher eine der vielen pseudorechtfertigungen, die sich täter basteln


So meinte ich das auch nicht. Das dritte Reich ist nicht die Ursache für Missbrauch sondern (wie der Missbrauch selbst) eine besonders erschreckende Folge einer lieblosen menschenfeindlichen Kultur.

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BeitragVerfasst: 30.09.2011, 11:51 
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Raupe hat geschrieben:
Eine Krankheit, die das dritte Reich erst möglich gemacht hat und die nicht dadurch geheilt wurde, dass dieses Reich unterging.

ah, waren beide deutungen möglich bei dem satz, jetzt hab ich es so, wie es gemeint war von dir gelesen ;)

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Jacques Wirion


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BeitragVerfasst: 30.09.2011, 12:55 
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Hallo Raupe,

ich bin beeindruckt, dass du dich so tief mit diesen Dingen beschäftigst. Und ja, ich lese es auch nicht als Entschuldigung für die Täter, was du schreibst, sondern als Suche nach dem, was die Menschheit braucht, damit die Welt besser wird. Und wie gesagt- ich bin beeindruckt.

LG,
Pu


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BeitragVerfasst: 30.09.2011, 13:24 
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Birmas hat geschrieben:
ah, waren beide deutungen möglich bei dem satz


Stimmt. Ich habe den Satz jetzt ein wenig umformuliert, damit er eindeutig ist.

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BeitragVerfasst: 30.09.2011, 13:36 
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hallo raupe,

ich habe auch lange zeit nach dem warum gesucht. und auch nach dem warum gerade ich (wir waren 3 mädchen), hab ja selber schuld ...
eine antwort darauf habe ich nicht bekommen, werde ich auch nicht bekommen.

ich kann sie gut nachvollziehen, dein fragen.

möchte jedoch auch eins hier lassen, was mir bei der ganzen betrachtung wichtig ist

nicht jeder, der in der kindheit s**** m**** wurde wird automatisch im erwachsenenalter zum t***er.

bitte nicht falsch verstehen, ich weiß du suchst nach antworten.

Ich bin selbst mutter von 2 erwachsenen söhnen, denen ich sicherlich einige "macken" von mir weiter gegeben habe, jedoch nicht den s*** m***.

ist gerade ein bisschen kompliziert geschrieben, vielleicht verstehst du trotzdem, was ich meine

lg liv


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BeitragVerfasst: 30.09.2011, 14:14 
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Hallo liv

liv hat geschrieben:
nicht jeder, der in der kindheit s**** m**** wurde wird automatisch im erwachsenenalter zum t***er.
...
ist gerade ein bisschen kompliziert geschrieben, vielleicht verstehst du trotzdem, was ich meine


Ja, tue ich.

Die einen machen es mit sich selbst aus und richten ihre destruktive Energie gegen sich, würden aber keiner Fliege etwas zu leide tun. Diese Menschen werden "nur" zu Tätern an sich selber.

Andere hingegen haben den Drang, ihre desktruktive Energie an anderen Menschen abzureagieren. Und trotzdem glaube ich, dass dahinter als Motivation der Selbsthass steht und die Tat des Täter sich im Grunde gegen ihn selbst richtet. Ich denke, dass die Seele des Täters unter seiner Tat leidet.

Und deshalb glaube ich, dass wir den Tätern näher sind als uns lieb ist. Wir sind - wie sie - Opfer einer unmenschlichen Behandlung in der Kindheit. Der Unterschied liegt in der Art und Weise mit dieser Verletzung umzugehen.

Warum das Pendel mal in die eine und mal in die andere Richtung ausschlägt würde ich gerne wissen. Aber wenn ich ehrlich bin, dann bin ich sehr froh über die Richtung, in die es bei mir ausgeschlagen hat. Täter wäre ich nicht gern.

Ist es mein "Verdienst", dass ich nicht zum Täter wurde? Oder ist es Zufall? Hat jeder Täter die Wahl gehabt? Gib es auch Täter-Typen, die nicht zum Täter werden? Die ihr Leben lang unter dem Drang leben, anderen Gewalt antun zu müssen, aber sich erfolgreich dagegen wehren? Bestimmt. Vor diesen Menschen müsste man wohl den größten Respekt haben.

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BeitragVerfasst: 30.09.2011, 15:52 
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hallo raupe,

das sind sehr psychologische und philosopische betrachtungen, die du erwägst.
Ich finde es sehr mutig und auch ehrenwert von dir, die dinge von der anderen seite verstehen zu wollen.

soweit bin ich jedoch noch nicht, deshalb meine "eingeschränkte" sicht der dinge.

wünsche dir, dass du antworten für dich findest.
liv


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BeitragVerfasst: 30.09.2011, 16:27 
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Achtung Trigger!!!
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Hallo Raupe,

Raupe hat geschrieben:
Ist es mein "Verdienst", dass ich nicht zum Täter wurde? Oder ist es Zufall? Hat jeder Täter die Wahl gehabt? Gib es auch Täter-Typen, die nicht zum Täter werden? Die ihr Leben lang unter dem Drang leben, anderen Gewalt antun zu müssen, aber sich erfolgreich dagegen wehren? Bestimmt. Vor diesen Menschen müsste man wohl den größten Respekt haben.


Jeder ist für das was er tut selbst verantwortlich. Es ist für mich absolut keine Entschuldigung, wenn jemand als ehemaliges Opfer, später selbst zum Täter wird und ich wehre mich entschieden gegen die oft verbreitete Ansicht, das vor allem männliche Opfer später zu Tätern werden. Das impliziert für mich, dass männliche Opfer als Erwachsene stets potenzielle Täter sind und ich halte dies für absolut falsch und diese Unterstellungen machen mich echt wütend, selbst dann, wenn viele gefasste Täter angeben, in der Kindheit selbst missbraucht worden zu sein.

Ich habe noch nie Gewalt gegen andere angewendet, selbst gegen meine Täter nicht, die es wahrscheinlich verdient gehabt hätten. Als Kind und Jugendlicher hatte ich dennoch Gedanken, dass ich "ihnen" aus Hass und Wut Gewalt antun könnte, nur den Schritt in die reale Umsetzung habe ich nie gewagt, bis auf das ich mich ab einem bestimmten Alter auch mal gegen die Übergriffe gewehrt habe. Die Initiative ist aber nie von mir ausgegangen.

Ich denke jeder Mensch hat irgendwann einmal Gewaltgedanken, weil er sich durch andere verletzt oder gedemüdigt fühlt. Aber ich wurde auch schon ohne jeglichen Grund auf offener Straße von einem Jugendlichen angegriffen mit den Worten "deine Fresse gefällt mir nicht". Im Endeffekt hatte er nur Lust sich zu prügeln und hat sich dafür einen Scheingrund gesucht, schließlich ist er erst an mir vorbei gegangen und ist dann wieder zurückgekommen. Wenn ihm nur "meine Fresse nicht gefallen hätte", dann hätte er auch einfach weitergehen können und sich seinen Teil denken können. Er hat aber bewusst die Entscheidung getroffen umzukehren und mich anzugreifen.

Ich denke jeder Mensch hat die Wahl seine Gewaltgedanken, egal in welcher Richtung, zu kontrollieren oder in die Tat umzusetzen. Ich habe aber keinen Respekt vor Menschen, die sich "täglich gegen ihren Gewaltdrang wehren" müssen, damit sie ihn nicht in die Realität umsetzen. Ich denke das sollte für jeden selbstverständlich sein. Die persönliche Freiheit sollte immer dort enden, wo die Freiheit eines Anderen (vorsätzlich) verletzt wird. Es mag sein, dass bei bestimmten Menschen, durch ihre schlechten Kindheitserlebnisse, die Hemmschwelle für Gewalt gesenkt ist, weil sie dies als "normal" und alltäglich empfunden haben. Dennoch ist und bleibt es eine ganz bewusste eigene Entscheidung. Mir wurde genug Gewalt auf verschiedene Weisen in meiner Kindheit angetan, ohne dass ich das Bedürfnis habe, das zu tun, was ich selbst zutiefst verachtet habe, im Gegenteil, ich will diese Fehler eben genau nicht wiederholen.

LG



Nico

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Wer kämpft, kann verlieren. Wer nicht kämpft, hat schon verloren.


Zuletzt geändert von NicoWolf am 30.09.2011, 20:32, insgesamt 1-mal geändert.

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BeitragVerfasst: 30.09.2011, 19:33 
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hallo an alle,
es sind sehr viele interessante texte hier wieder gegeben, aber wie liv sagt, kann ich das alles auch nicht so ganz sehen wie du raupe. ich denke der T**er hat auch mit viel macht probleme, er sucht macht und findet diese in den kindern, was mich dann wütend macht. aber ich hatte hier fast den eindruck das freundlich vom täter geschrieben wird, das kann ich nicht. aber sonst ist es sehr interessant, mir fehlte nur das wort macht beim mb.
lg asus

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Probleme sind da um gelöst zu werden


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BeitragVerfasst: 02.10.2011, 15:33 
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asus hat geschrieben:
aber ich hatte hier fast den eindruck das freundlich vom täter geschrieben wird


Das ist nicht meine Absicht. Vielleicht könnte man sagen, dass ich menschlich argumentiere. Ich setze einfach voraus, dass niemand als Kinderschänder auf die Welt kommt sondern irgendwie dazu gemacht wird. Ich mag einfach nicht daran glauben, dass wir einer solchen Monströsität im menschlichen Handeln einfach so ausgeliefert sind, ohne etwas dagegen tun zu können. Ich will glauben, dass wir ein Problem in unserer Gesellschaft bzw. Kultur haben und dass die Lösung zu einer Besserung führt. Und ich will dieses Problem verstehen. Mir hilft das!

Ich kann aber wiederum verstehen, wenn einige an ihrem Hass auf den Täter festhalten möchten und sich daher dieser Sichtweise widersetzen. Sie möchten vielleicht garnicht verstehen, was einen Täter zu seinen Taten trieb, weil sie ihn dann als Menschen begreifen müssten. Und diese Sichtweise würde es deutlich schwerer machen, ihn zu hassen.

Um unsere Gesellschaft von dem Problem des Missbrauchs zu heilen ist es hingegen notwendig, die Gründe zu verstehen. Ich kann verstehen, wenn Opfer das nicht als Ihre Aufgabe ansehen. Dafür wären vielleicht die Menschen besser geeignet, die nicht Opfer wurden. Aber werden die es tun? Ich persönlich sehe es allerdings sogar als notwendig für meine erfolgreiche Heilung an, dass ich meinen Hass überwinde. Aber da kann man sicherlich unterschiedlicher Meinung sein.

Ich bin kein Anhänger, der Verzeihungs-Fraktion, die von einem Opfer fordert, dem Täter zu vergeben. Aber ich glaube, dass wir einen tiefen menschlichen Teil in uns selber noch nicht geheilt haben, so lange wir den Täter entmenschlichen müssen, um unseren Hass aufrecht erhalten zu können.

Das Ende des Hassens bedeutet sicher nicht, dass man vergeben muss oder Freund werden muss mit dem Täter. Man kann ihn weiter mit Recht als schlechten und/oder gescheiterten Menschen ansehen und muss ihn sicherlich nicht mögen.

Ich glaube aber, dass man erst dann einen realistischen Blick auf den Täter bekommt und und ihn erst dann so sehen kann, wie er wirklich ist. Erst dann kann man verstehen, in welchem Ausmaß er menschlich gescheitert ist. Und wie armseelig, traurig, falsch und verlogen seine gesamte Existenz ist.

asus hat geschrieben:
ich denke der T**er hat auch mit viel macht probleme, er sucht macht und findet diese in den kindern, was mich dann wütend macht. ...
mir fehlte nur das wort macht beim mb.


Achtung, ich versuche jetzt wieder, die Täter zu verstehen. Wer das nicht will sollte nicht weiter lesen.

Was uns am meisten ängstigt sind die fürchterlichen und ohnmächtige Gefühle aus Misshandlungen unserer Kindheit. Das Schlimme an diesen Taten ist eben gerade, dass wir danach Angst vor uns selber bekommen. Dass danach schlimme Dinge IN UNS DRIN sind vor denen wir nicht davon laufen können. Sie sind uns eingepflanzt worden und zwingen uns dazu, uns von uns selbst zu entfremden, weil wir diese Teil von uns selbst als bedrohlich wahrnehmen.

Ich setze voraus, dass auch jeder Täter soche abgespaltenen Anteil in sich hat. Und er fühlt sich gut, wenn er diese ängstigenden Anteile beherrschen kann. Wenn er Macht über sie hat und wenn er sie kontrollieren kann. Denn dann muss er keine Angst mehr vor Ihnen haben.

Und genau das suchen die Täter in ihren Opfern. Sie wollen Macht über diese Kinder. Aber nur oberflächlich. In ihrem Innersten suchen die Täter Macht über abgespaltene ohmächtige wehrlose Gefühle in sich selbst, durch die sie sich bedroht fühlen. Sie benutzen das Kind dafür.

Ich denke, mit dem Hass ist es ähnlich. Wenn wir den Täter hassen, dann liegt darunter eigentlich ein Hass auf die Tat- bzw. Täter-induzierten fürchterlichen abgespaltenen Gefühle in uns selbst, die wir hassen weil sie uns bedrohen. Wir projizieren diesen Hass dann nach außen auf den Täter. Wir benutzen den Täter, damit wir nicht Teile von und selbst hassen müssen.

Das kann man sicherlich entschuldigen :) Trotzdem glaube ich, dass eine Heilung beinhaltet, dass man diese Anteile in sich verarbeitet und liebevoll annimmt und dass sich dann auch der Hass auflöst. Wie oben beschrieben muss das nicht bedeuten, dass man den Täter dann mag. Aber es wird hoffentlich bedeuten, dass man sich selber endlich vollständig mag!

Soweit meine perönliche Haus- und Hof-Psychologie :)

Ich kann wirklich sehr das Buch "Der Fremde in uns" von Arno Gruen empfehlen. Das ist keine leichte Kost. Aber es zeigt in welchem unerkannten Gefängnis sich unsere Gesellschaft befindet. Ich hoffe, wir kommen irgendwann da raus. Auch wenn wir das sicherlich nicht mehr erleben werden. Aber vielleicht unsere Kinder.

Liebe Grüße,
Raupe.

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BeitragVerfasst: 02.10.2011, 15:42 
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NicoWolf hat geschrieben:
Ich habe aber keinen Respekt vor Menschen, die sich "täglich gegen ihren Gewaltdrang wehren" müssen, damit sie ihn nicht in die Realität umsetzen. Ich denke das sollte für jeden selbstverständlich sein. Die persönliche Freiheit sollte immer dort enden, wo die Freiheit eines Anderen (vorsätzlich) verletzt wird.


Damit hast du natürlich vollkommen recht! Die Frage ist doch nur, warum sich so viele Leute auf so fürchterliche Weise eben nicht daran halten! Und damit sich daran etwas ändert, muss man die Täter wohl oder übel verstehen. Oder es wird sich eben nicht ändern. Denke ich zumindest...

Liebe Grüße,
Raupe.

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BeitragVerfasst: 02.10.2011, 16:05 
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es wird immer von einem "mensch sein" gesprochen, welches immer und grundsätzlich vorhanden ist. welches lediglich durch "eigene verletzungen" verkehrt, verdreht und angepasst wird. der mensch ist aber nunmal in erster linie ein cleveres tier, nichts weiter. sozialisation findet in gesellschaft und familie statt, nicht in genetischer prägung. und eben diese sozialisation kann so vielfältig sein, wie alles andere im leben.
warum? weil der betreffende es eben für sinnvoll, freude bringend, sonstwas hält. und wie kann ein mensch andere moral- und wertvorstellungen haben als die, in der gesellschaft vorherrschen? indem er nicht nach deren vorstellungen sozialisiert wurde oder indem ihm diese vorstellungen schlicht egal sind bzw. er den eigenen vorteil (in welcher form auch immer) voran stellt.
mir persönlich ist es völlig egal was ein täter in seiner kindheit erlebt hat. es gibt grenzen die nicht überschritten werden dürfen, um ein zusammenleben zu ermöglichen. übertritt man diese (was ein täter tut), ist man eben draussen. und ich habe ein problem damit als "opfer", gerade als männliches, als potentieller täter gesehen zu werden, auf eine stufe mit tätern gestellt zu werden und wenn mir mein eventueller hass auf meine täter als "möglichkeit den täter nicht als menschen zu sehen" interpretiert wird. der täter ist ein mensch wie ich auch. vlt ist gerade das zu sehen, bzw. die konsequenzen daraus die schwierigkeit hier, und damit auch das "aus-der-hand-geben" einer grundsätzlichen moralischen überlegenheit.

im übrigen bin ich niemand der, im wissen um sein eigenes aufwachsen in einer demokratischen gesellschaft, darüber urteilen könnte ob ich zur zeit der ns-diktatur, mit entsprechender prägung von klein auf, nicht auch eine schwarze uniform getragen hätte. mit dem wissen und der gesellschaftlichen erfahrung von heute das damals als "monströs" anzusehen ist sehr einfach, diesen standpunkt aber trotz gegenpoliger gesellschaftsstruktur zu haben, eine ganz andere frage. heute würden so gut wie alle sagen "da hätte ich nie mitgemacht." schon komisch dass es bei so viel "gutmenschtum" dann soweit kommen konnte. vlt lag es ja daran dass niemand was wußte, außer den vier, fünf bösen schergen da ganz oben...

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kid kopphausen - das leichteste der welt


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BeitragVerfasst: 06.10.2011, 21:48 
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Hallo kmc,

kmc hat geschrieben:
es wird immer von einem "mensch sein" gesprochen, welches immer und grundsätzlich vorhanden ist. welches lediglich durch "eigene verletzungen" verkehrt, verdreht und angepasst wird. der mensch ist aber nunmal in erster linie ein cleveres tier, nichts weiter.


Ich denke, es gibt da schon ein paar herausragende Unterschiede zwischen Mensch und Tier. Leider ist der Mensch in der Lage, die Fähigkeiten und Mittel, die ihn vom Tier unterscheiden, nicht nur zum Guten einzusetzen, sondern auch zum Schlechten. Ich denke, dass Menschen "böse" sein können. Zum Beispiel in dem Sinne, in dem wir Betroffenen hier im Forum das erfahren haben. Ich denke nicht, dass es etwas vergleichbares in Tierreich gibt. Ich denke nicht, dass Tiere Krieg gegen die eigene Rasse führen, dass Tiere ihre Jungen vergewaltigen. Ich denke nicht, dass Tiere "böse" sein können.

Ich denke, dass Tiere psychisch gesünder sind, als die meisten Menschen. Weil sie einfach "sein" dürfen. Und nicht missbraucht, misshandelt, ermahnt, bestraft, belogen, verbogen und erzogen werden.

Ich denke, dass der Mensch mit den Fähigkeiten, die er erhalten hat gleichzeitig eine Verantwortung erhalten hat. Er ist im Gegensatz zu den Tieren in der Lage, diesen Planeten ziemlich weitgehend zu zerstören. Und er kann Hunger, Leid und Krieg über die eigene Rasse bringen. Aber er ist dem Schlechten nicht werhrlos ausgeliefert. Er kann sein Handeln es reflektieren und ich denke, er hat auch die Verantwortung dazu.

Und deshalb denke ich, dass man sich auch mit den Tätern befassen muss, wenn man dieser Verantwortung gerecht werden will und verstehen will, was hier passiert. Denn der Mensch ist sicherlich auch in der Lage zu einem repektvollen Umgang in Frieden miteinander. Zumindest möchte ich daran glauben. Und dafür lohnt es sich zu kämpfen. Und so begreife ich meine eigene Heilung als Beitrag zum Erreichen dieses Ziels.

Und deshalb denke ich, dass man es sich eben nicht so einfach machen kann und sagen kann:

kmc hat geschrieben:
mir persönlich ist es völlig egal was ein täter in seiner kindheit erlebt hat. es gibt grenzen die nicht überschritten werden dürfen, um ein zusammenleben zu ermöglichen. übertritt man diese (was ein täter tut), ist man eben draussen.


Ich denke, dass man damit nicht viel ändern wird.

Viele Grüße,
Raupe.

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