Manchmal frage ich mich, war ich überhaupt jemals wirklich glücklich? Es wäre aber auch nicht richtig zu sagen, ich war immer unglücklich und so bleibt nur, ich habe existiert. Dies zu erkennen, ist für mich sehr schmerzlich und noch schmerzlicher ist es, mich an die Ursachen heranzutasten. Ich war schon als Kind sehr einsam. Meine Mutter arbeitete und häufig kam sie erst nach Hause, wenn ich schon im Bett lag. Wir wohnten damals zur Untermiete bei einer alten Dame. Am Tage war ich in einer Kindertagesstätte und abends legte mich die alte Dame ins Bett. Weinen war nicht erlaubt, sie fühlte sich dann gestört und oft musste ich mir anhören, dass meine Mutter ja für mich Geld verdienen muss. Ich fühlte mich also schuldig dafür, dass meine Mutter so schwer arbeiten musste.
Als ich sechs Jahre alt war, schloss sich meine Mutter den ZJ an und mein Leben sollte sich total ändern. Schon in diesem Alter wurde man zu allen Zusammenkünften mitgenommen. Die Bibel wurde studiert und ich lernte, den „Willen des Herrn“ zu tun. Schließlich wollte ich auch einmal in dem Paradies leben, welches uns verheißen wurde und nicht mit den „Menschen aus der Welt“ vernichtet werden.
Aber als ich ca. 10 Jahre war, bekam ich Zweifel. Vieles störte mich und ich stellte Fragen. Fragen waren nicht erwünscht, man muss glauben und nicht nachfragen, das würde ja bedeuten man stellt etwas in frage und so beschloss man, dass zwei Älteste der Gemeinde einmal in der Woche mir Unterricht erteilen sollten. Das was ich dort erlebte, habe ich jahrelang verschlossen, es nicht zugelassen, darüber zu sprechen oder auch nur nachzudenken. Bis heute fühle ich mich schuldig an all dem was geschah, denn ich habe nichts gesagt und geschwiegen. Die Schuldfrage ist bei mir ein großes Thema, wurde es mir doch immer und immer wieder von den beiden gesagt, wie schlecht ich bin, dass sie es nur für mich täten und ich für meine Sünden (welche wusste ich nie) zahlen musste. Ich habe das Problem, mich selbst anzunehmen, mich zu mögen. Jetzt erkenne ich, dass meine Mutter, die ich so sehr liebte und die für mich immer Halt bedeutete, sicher von allem wusste, oder es zumindest bemerkt haben muss. Lange wollte ich es mir nicht eingestehen, habe aber erkannt, dass es wohl unmöglich war, nichts bemerkt zu haben. Warum hat sie es zugelassen, warum hat sie mich nicht beschützt? War ich es nicht wert? War ich wirklich so ein schlechter Mensch? War ich es , dann bin ich es immer noch.
Ich habe hier auch vom Inneren Kind gelesen. In der Therapie habe ich auch Kontakt zu diesem Kind aufnehmen sollen und es ist mir gelungen. Ich habe gesehen, wie es traurig, in einer Ecke eines dunklen Raumes hockt. Doch hingehen, es beschützen und in den Arm nehmen, das konnte ich einfach nicht. Ich habe dann eine Kerze hingestellt, damit es dort nicht so dunkel ist. Trotzdem fühlte und fühle ich mich bei dem Gedanken, nicht hingehen zu können schlecht.
Zurzeit habe ich das Gefühl, alles überrollt mich, mir wird der Boden unter den Füßen entzogen und meine von mir aufgebaute kleine Welt, entgleitet mir. Meine Ärztin wollte mich in eine Klinik einweisen und ich bin völlig unsicher, ob das gut wäre. Einerseits bin ich allein hier im Haus, habe Angst vor meinen Gedanken, aber eine Klinik?
LG Zefira
Zuletzt geändert von Zefira am 31.01.2011, 01:32, insgesamt 1-mal geändert.
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