Der Zwang hat sie fest im Griff - über eine Million Menschen leiden deutschlandweit unter einer Zwangsstörung. Quälende Gedanken und Ängste treiben die Betroffenen zu den immer gleichen Ritualen. Habe ich den Herd auch wirklich ausgestellt, die Tür richtig verschlossen? Kommt durch mein Verhalten eventuell jemand zu Schaden? Menschen mit Zwangserkrankung beschäftigen sich oft stundenlang damit, ihre Handlungen zu überprüfen. Sie kontrollieren Türschlösser, Bügeleisen und Herdplatten, andere duschen und putzen mehrere Stunden täglich, aus Angst vor vermeintlich gefährlichen Keimen. Obwohl vielen Kranken der Unsinn dieser Ängste bewusst ist, gelingt es ihnen dennoch nicht, die Zwangshandlungen zu unterlassen. Viele verheimlichen ihre Krankheit, um nicht als 'verrückt' abgestempelt zu werden. Oft mit verheerenden Folgen: Eine Teilnahme am normalen Leben ist kaum mehr möglich.
Kirsten aus Duisburg konnte ihre Wohnung irgendwann fast gar nicht mehr verlassen. Die 44-Jährige leidet unter einem stark ausgeprägten Waschzwang. Aus Angst, sich zu verseuchen, duschte sie täglich bis zu fünf Stunden. Ihre Hände wusch sie sich, bis sie wund waren. Der Zwang schränkte sie so stark ein, dass sie sogar ihren Job als Bankangestellte aufgeben musste. Erst mehrere Therapien halfen der Duisburgerin, ihre Ängste zu besiegen und ihre Zwänge deutlich zu reduzieren. Seit 2008 begleitet SPIEGEL TV Kirstens Kampf gegen die Krankheit.
Max zeigte bereits im Alter von drei Jahren ein auffälliges Verhalten. Er ordnete Gegenstände symmetrisch an, wiederholte bestimmte Schrittfolgen und entwickelte einen ausgeprägten Waschzwang. Jahrelang kann er Familienhund 'Amy' nicht mehr berühren. Je älter Max wird, desto ausgeprägter zeigen sich auch seine Zwänge. Für die besorgten Eltern und Zwillingsbruder Alexander keine einfache Zeit und eine prägende Erfahrung. Als Max 13 Jahre alt ist, entscheidet er sich zusammen mit seinen Eltern für eine stationäre Therapie, um die Zwänge endlich loszuwerden.
Torsten litt als Jugendlicher unter einer Essstörung. Nach erfolgreicher Behandlung traten bei ihm Zwangsgedanken auf. Was mit vermeintlichen Marotten begann, entwickelte sich im Laufe der Jahre zu einem ausgeprägten Kontroll- und Ordnungszwang. Weil er keine Fehler machen will, kontrolliert der 34-Jährige jeden seiner Schritte. Seine Kleidung sortiert und faltet er stundenlang, Handy und Fernbedienung müssen symmetrisch angeordnet auf dem Tisch liegen. Bis zur Erschöpfung folgt er den immer gleichen Ritualen. Die Krankheit lässt ihm keine Wahl. Seit über zehn Jahren hat der Zwang ihn fest im Griff und bestimmt seinen Alltag. SPIEGEL TV begleitet Torstens Leben mit dem Zwang seit vier Jahren.
Das Gefühl, nicht anders zu können, kennt auch Daniel aus Hamburg. Der 35-Jährige leidet seit seinem 7. Lebensjahr unter dem Tourette-Syndrom. Die neurologische Erkrankung äußert sich in Form sogenannter Tics. Sie treten als plötzliche, nicht kontrollierbare Bewegungen und Lautäußerungen auf. Das können Augenzwinkern oder Kopfnicken, aber auch heftigere Bewegungen sein, ebenso wie Räuspern, Bellen oder das Herausbrüllen bestimmter Wörter. Tics sind keine Marotten, die man sich abgewöhnen kann. Tics gleichen einem Zwang, den die Betroffenen nicht beeinflussen können. Das sorgt besonders in der Öffentlichkeit für neugierige und nicht selten abfällige Blicke. Daniel fiel es lange schwer, sich mit seiner Krankheit zu arrangieren. Erst durch sein Engagement in der Tourette-Gesellschaft Deutschland fand er neuen Lebensmut und schließlich auch einen Job.
Stefan aus Moers lebt seit seiner Kindheit mit den Tics. Die äußern sich bei ihm vor allem durch unkontrollierte Bewegungen der Beine und des Kopfes. Der Frührentner war jahrelang verzweifelt und deprimiert, erst durch das Singen fasste er wieder Hoffnung. Die Musik ist seine 'Medizin' gegen das Tourette-Syndrom. Nach ersten zaghaften Versuchen in Karaoke-Bars, entschloss sich der 38-Jährige, Gesangsunterricht zu nehmen. Er wurde stetig besser und wagte vor einem Jahr schließlich den großen Schritt: Er bewarb sich bei einer Castingshow und trat vor Millionen Fernsehzuschauern auf die Bühne. Zwar reichte es nicht für einen Sieg, aber Stefan lässt den Kopf nicht hängen und versucht weiter seine Karriere als Sänger voranzutreiben - trotz Tourette-Syndrom.
Außerdem begleitet die Dokumentation einen Angstpatienten, den SPIEGEL TV bereits vor zehn Jahren während einer Therapie begleitet hat und zeigt, wie es dem jungen Mann heute geht. Seine Ängste hat er weitgehend im Griff, aber er hat andere Symptome entwickelt, die ihm das Leben immer noch schwer machen.
In der vierstündigen Dokumentation kommen neben den Betroffenen auch wissenschaftliche Experten aus den Bereichen der Psychologie, Psychiatrie und Neurologie zu Wort. Wo liegen die Ursachen für die Zwänge und welche Therapiemöglichkeiten gibt es? Worin unterscheidet sich eine Zwangsstörung von einer Suchterkrankung, wie z.B. Magersucht und welche Parallelen gibt es? Wann handelt es sich bei einem häufigen Augenzwinkern um eine nervöse Erscheinung, eine 'Marotte', wann um eine ernst zu nehmende Ticstörung? SPIEGEL Tv
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