Nächste woche am Donnerstag ist meine mutter genau ein jahr tot.
Letzte woche hatte ich beim meditieren einen traum: ich bin das kleine 3-jährige mädchen. mein vater ist auch im raum. er lässt den kopf traurig hängen. meine mutter nimmt ihn in die arme und verabschiedet sich von ihm. meine mutter drückt dann mich, setzt mich auf meinen schreibtischstuhl und sagt: ich gehe jetzt.
und genauso ist es. das kleine mädchen sitzt so verängstigt da und wartet bis sich ihm einer annimmt. aber es ist keiner mehr da, es muß allein groß werden. mein vater kommt da nicht in frage.
meine mutter hat sich letztes jahr umgebracht. wohl ein halbes jahr vorher wurden die alten konflikte in der familie immer wieder aufgebrochen. ich habe es nicht mehr ausgehalten und zu meiner mutter gesagt, jetzt ist schluss. ich wiil nicht mehr, daß ihr euch in meine neue kleine familie einmischt. ich wollte tatsächlich und ernsthaft die regelmäßigen kontakte abbrechen.
es ging mir damals gesundheitlich absolut dreckig. ich hatte fast permanent 38,5 fieber ein halbes jahr lang und ständig hals- und rachenschmerzen. es half nichts und wieder nichts. ich saß teilweise pro woche 5 stunden oder noch länger in den wartezimmern irgendwelcher ärzte und oft konnte ich gar nicht zu einem arzt, weil meine kleine tochter (damals 3 jahre) auch ständig krank war und nicht in den kindergarten konnte. anfangs machte ich meiner mutter nur vorwürfe, warum hilfst du mir nicht mal, ich bin krank vollkommen fertig.
die ärzte halfen mir nicht, sie sagten: bettlägrig sind sie ja nicht und sonst hatte ich keine unterstützung in aussicht. die tage waren alle grau. morgens schleppte ich mich aus dem bett und vormittags fingen immer die kopfschmerzen an, kein aspirin, paracetamol half mehr. und ich mußte mit meiner tochter spielen und sie beschäftigen . damals war sie wahrscheinlich hyperaktiv. jetzt habe ich viel über ernährung gut machen können. sie hat ein wahnsinniges temperament aber ansonsten bin ich sehr sehr glücklich, daß sie sich meinen mann und mich als eltern ausgesucht hat. gott, danke.
als ich an einem punkt war, wo ich körperlich einfach nicht mehr konnte, habe ich meinem mann angeschrieen, er soll mir helfen, ich kann nicht mehr. ein paar mal ist er nur vormittags in die arbeit. dann wieder alles beim alten: ich zuhause beim kind, er in der arbeit. irgendwie bin ich damals ausgeflippt. ich habe meinen mann angeschrieen, es liesse mich verrecken und ich habe auf ihn eingeschlagen. dann tatsächlich, hat er sich einfach frei genommen, was in seiner firma bei ihm nicht einfach war, weil dort eine hire- and - fire mentalität herrscht. aber ich kam dadurch wieder ein bißchen auf die beine , daß ich wieder ein bisschen lebensmut hatte.
ich kam noch öfters an diese grenze, weil meine fragwürdige krankheit, medizinisch nicht nachgewiesen werden konnte. nur die symptome sind da.
in dieser zeit hatte ich oft den besagten streit mit meiner mutter, warum sie mich denn nicht unterstützt, warum sie nicht für mich da ist in dieser not. es war wie damals, als ich die schläge von meinem vater ertragen mußte und sie sagte, du hast es verdient. und immer dieses schweigen: du bist schuld, deswegen hast du diese schläge verdient.
als jugendliche habe ich meinen vater so gehaßt und wenn er nicht der stärkere gewesen wäre, dann hätte ich ihn wohl krankenhausreif geschlagen, aber wer die blauen flecken und die seelenverletzungen davongetragen hat, war ich. meine beiden schwestern haben sich in ihr zimmer verzogen und meine mutter sagte bei meinen hilferufen: du verdienst es schon. ich habe erfahren daß mir da keiner jemals hilft . und sonst war niemand da.
ich konnte es niemand erzählen, ich mußte mich ja für meine blaue geschwollene lippe schämen, ich war ja selbst schuld, schon als 2,5 jährige.
letztes jahr mitte mai bekam ich einen anruf von meiner schwester, meine mutter wäre total depressiv und der osteopath/masseur, der sie gerade behandelt hätte, würde behaupten, sie sei selbstmordgefährdet. ich hatte natürlich schreckliche gewissensbisse und hab´mir sorgen gemacht. ich bin hingefahren und habe den tag von morgens bis abends mit ihr verbracht , habe auf sie eingeredet, sie gestreichelt, massiert und sie beschworen, dass sie weiterleben will. ich habe auf sie eingeredet: bitte schreib hier auf diesen zettel, ich werde wieder gesund. und eine kleine Mädchenstimme kam aus ihrem mund und sagte: "NEIIIIIIN !" da wußte ich daß es tatsächlich soweit gekommen ist, sie hatte im sinn sich umzubringen.
Mann, da habe ich geredet und geredet. ich habe ihr bilder in der kopf gemalt vom leben (im übertragenen sinn natürlich)und nach vielleicht 2 stunden hat sie : ja gesagt zu einem Bild vom leben. meine mutter war gerne bergwandern und ich habe ihr das bild ausgemalt, sie steigt einen hohen berg hinauf bis zum gipfel und setzt sich auf den gipfel. ich habe ihr eingeredet so ist es mit ihrer depression, sie wird wieder gesund. bestimmt.
dann habe ich am anderen tag bei dem neurologen angerufen und meine befürchtung dargelegt. ich habe gesagt, daß nur tabletten ohne therapie nicht genug sind und daß meine mutter unbedingt mehr braucht. vllt eine stationäre behandlung ??? weil bei meinem vater daheim, der alle konflikte nur totschweigt oder mir gegenüber mit fäusten austrägt ist es nicht gut für meine mutter.
der arzt verschrieb ihr daraufhin ein paar neue pillen zusätzlich, unter anderen auch welche auf denen im beipackzettel steht, in der ersten zeit nach beginn der einnahme suizidgefahr.
ich habe zu meinem vater gesagt, er soll doch zu diesen arztterminen mitgehen, aber er hat es nicht gemacht. ich habe für meine mutter einen termin bei einer freundin von mir ausgemacht, sie ist kinesiologin und in 3in1concepts ausgebildet. und ich wollte meine mutter noch dazu überreden mit mir und mit meiner tochter ein paar tage wegzufahren an den gardasee. von dort wo wir wohnen ist das gerade mal 4 std. entfernt. sie wollte nicht.
von da an hab ich nur noch gebetet obwohl ich das fast nie mache.
und den termin bei der kinesiologin hat sie nicht wahrgenommen. in der gleichen stunde hat sie sich umgebracht. es wahr ein schöner vorsommertag vormittags um 10:00 Uhr.
ich hätte nie gedacht, daß sich jemand am vormittag an so einem schönen tag umbringt. nachts oder abends ja. aber vormittags bei sonnenschein. genau deshalb hatte ich mit weniger inbrunst gehofft und gebetet. damit ist für immer meine hoffnung geschwunden, jemals von meiner mutter zuspruch und annahme zu erfahren. und ich konnte es ihr auch nicht geben. schade-.
schade, das waren auch eine meiner letzten worte, die ich zu meiner mutter gesagt habe, als ich ihr vorschlug, daß sie mit mir ein paar tage nach italien fahren sollte.
daraufhin hatte ich natürlich unendlich mitleid mit meinem vater. ich lasse mir alles von ihm gefallen. er schnauzt mich an, als ob ich der letzte dreck wäre , bei nichtigen anlässen, wenn wir ihn besuchen. er nimmt sich einfach diese macht über mich. frauen sind in dieser, seiner gesellschaft und seiner weltanschauung nichts wert.
der selbstmord meiner mutter hat mir letztes jahr den boden unter den füssen weggezogen. ich war jeden tag ein zitterndes etwas, ich konnte nichts essen, es war mir ständig kotzübel . ein halbes jahr danach bat ich meine mutter in einer meditation, sie soll mir helfen, ich kann nicht mehr. einen tag danach habe ich mich bei meiner therapeutin an zwei m.b. erlebnisse erinnert . ich war gerade mal ein oder 1,5 jahre alt. ich kann noch genau den raum beschreiben die unterlage auf der ich gelegen habe. und sein gesicht. einmal da war ich vllt. 3.
aber das konnte ich beiseite schieben. ich wußte jetzt zwar, warum nur ich von meinen schwestern diese unendliche wut auf meinen vater hatte. ja das war mir schon viel wert. aber ich hatte immer noch dieses mitleid mit ihm wegen der trauer um meine arme mama, die es jahrelang mit ihm ausgehalten hat.
ich gehe seit ein paar tagen einen neuen weg, ich kopple mich ab von diesem vater. ich werde ihn nicht mehr besuchen, auch wenn es hier in süddeutschland sitte ist, zum todestag meiner mutter.
trotz allem war sie für mich die person, weswegen ich so überlebt habe. sie hat mir manchmal die wärme gegeben, von der ich mir vorstelle, daß sie immer so gegenüber einem kind sein soll. und ich hoffe so, auch wenn ich so so verrückt bin, dass meine kleine tochter hier bei mir und meinem mann, der immer noch zu mir hält, ein wirkliches zuhause hat. bitte gott hilf uns und mir. ich weiß, dass er nur denen hilft, die sich selbst helfen. ich glaube daran.
_________________ !! oh w a n d e r e r!! du!
wenn du hier vorbeikommst,
berichte jedem,
du hättest uns hier liegen sehen,
v e r w u n d e t und t o t,
die wir gekämpft haben
bis zum letzten mann
für eine heimat unserer seele.
Zuletzt geändert von condolezza am 23.05.2005, 09:44, insgesamt 1-mal geändert.
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